Das Haus in der Wilhelm-Raabe-Straße ist besetzt. Foto: dpa

Die Hausbesetzung zweier Wohnungen in Heslach geht in die vierte Woche. Am Freitagabend luden die Besetzer und ihre Unterstützer zu einer offenen Podiumsdiskussion. Am Ende des Abends steht fest: Die Besetzer bleiben und sie sind mit ihrem Anliegen nicht allein.

Stuttgart - Die Stuhlreihen im alten Feuerwehrhaus in Stuttgart-Heslach reichen an diesem Freitagabend kaum aus, um die zahlreichen Besucher aufzunehmen, die zur offenen Podiumsdiskussion „Mietwahnsinn, Wohnungsnot, Besetzung. Und jetzt?“ gekommen sind. Sie alle möchten nicht nur mehr über die Beweggründe der beiden jungen Familien, die seit dem 29. April ohne Mietvertrag in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 wohnen, erfahren, sondern auch ihre Solidarität gegenüber den Hausbesetzern und ihren Zielen bekunden. „Ich habe mich schon vor 30 Jahren solidarisch mit den Besetzern gezeigt. Damals sahen die noch ganz anders aus. Die beiden Frauen sehen aus wie ganz normale Leute“, kommentiert eine Besucherin.

Und auch die Besetzer selbst betonen die Normalität, die im Wohnhaus an der Wilhelm-Raabe-Straße herrsche: „Wir sind keine Mietnomaden, wir wohnen dort ganz normal. Wir zahlen Strom, Gas und Wasser – wie jeder andere. Wir wollen nichts abzocken, wir wollen einfach nur einen gerechten Mietvertrag,“ so Besetzerin Adriana. Den Mietvertrag fordern sie von der Käuferin des Gebäudes, die derzeit in London gemeldet ist und bei der die Wellen der Besetzung mittlerweile vor der eigenen Haustür angekommen sind. Aktivisten haben dort am Donnerstag eine Plakat-Aktion durchgeführt. Bilder davon finden mittels Beamer ihren Weg nach Heslach. „People in Stuttgart want to live their lifes in an neigbourhood they are used to, it could be so easy: Live and let live. There is no reason to be greedy“ ist auf den Plakaten zu lesen.

Immobiliengesellschaft ist im Grundbuch eingetragen

Der Unmut am Abend richtet sich aber nicht nur gegen die neuen Eigentümer des Hauses. Denn der Moderatorin des Abends, Ariane Raad, zufolge seien diese nach jüngsten Erkenntnissen, noch gar nicht im Grundbuch eingetragen, sondern lediglich vorgemerkt. Der derzeitige Besitzer sei demnach noch eine Immobiliengesellschaft mit Firmensitz in Stuttgart. „Zu deren Büro könnte man ja mal einen Spaziergang unternehmen. Das ist ja viel näher als London,“ so ein Kommentar aus dem Publikum.

Heftig Kritik muss an diesem Abend aber vor allem die Politik, die nach Meinung der meisten Anwesenden zu wenig gegen Wohnungsnot und für den sozialen Wohnungsbau in Stuttgart investiere, einstecken: „Herrn Kuhn geht das am Arsch vorbei. Dabei hat die Problematik schon vor zehn bis 15 Jahren begonnen. Nun hat sie auch die Mittelschicht erreicht,“ so eine Wortmeldung, die mit tosendem Applaus belohnt wird. Und selbst Besucher, die nicht persönlich von der Wohnungsnot betroffen sind, bekunden an diesem Abend ihre Solidarität mit den Besetzern: „Ich wohne in Stuttgart-West und mich beeindruckt sehr was die beiden Frauen da machen. Die Wohnungssuche in Stuttgart ist eine Katastrophe, das sehe ich bei vielen Freunden meiner Töchter. Ich hoffe wirklich, dass sich die Wohnungsbesitzer Gedanken machen,“ so eine Stuttgarterin am Ende des Abends.

Trotz aller Solidarität ist den Besetzern klar: Was sie tun ist nicht legal. Das Landgericht Stuttgart hatte den Eigentümern erst jüngst grünes Licht für eine Zwangsräumung gegeben. „Klar macht man sich auch manchmal Sorgen“, sagt die junge Mutter und Besetzerin Adriana auf Nachfrage zu ihrer Situation. Dennoch wolle sie für sich und ihre Familie weiter für das Recht auf Wohnraum kämpfen. „Was wir tun ist nicht legal, aber legitim,“ fügt sie später hinzu. Ein Ausspruch, der im Publikum viel Anklang findet.