Wollen mit der Initiative Stuttgarter Galerien in die Offensive: Kay Kromeier (links) und Thomas Fuchs Foto: Kromeier/Silicya Roth

„Ein Schritt vor, zwei zurück“ – so skizzierte unsere Zeitung jüngst die Situation der Privatgalerien in Stuttgart. Ist die Realität eine andere? „Es gibt eine starke Sammlerschaft, die in den hiesigen Galerien kauft“, sagen Thomas Fuchs (Galerie Fuchs) und Kay Kromeier (Galerie Schlichtenmaier) den Stuttgarter Nachrichten.

Stuttgart - Am vergangenen Samstag war Sandro Parrotta letztmals offiziell in seiner Galerie in der Augustenstraße 87. Parrotta zieht es, wie er sagt, „zurück ins Rheinland“. Es hätte aber auch weiterhin Stuttgart sein können – Parrotta hatte für einen der Hochbunker in Stuttgart ein kulturell orientiertes Nutzungskonzept vorgelegt. Vergeblich. Ärger kommt bei Parrotta dennoch nicht auf. „Stuttgart hat sehr viele Möglichkeiten“, ist er überzeugt – und lobt den „ungemein ernsthaften Umgang mit der Kunst“ derer, die kommen.

Abschied ohne Groll

„Ciao“ hieß die nun zu Ende gegangene Schau. Zu sehen waren Arbeiten zweier jüngerer Stuttgarter Akademieabsolventen: Benjamin Bronni und Lisa Mühleisen. Ein Ausrufezeichen, die hier arbeitenden Künstlerinnen und Künstler wert zu schätzen. Sandro Parrotta war anwesend bei seinem Finale – viele Hände zu schütteln hatte er jedoch nicht. Kennzeichnend für die Situation der Kunstszene in Stuttgart oder Zufall? Parrotta ist vorsichtig. „Abwesenheit würde ich noch nicht als Desinteresse werten“, sagt er.

Standort mit Chancen

Lässt sich das auch auf die Gesamtsituation übertragen? „Natürlich würden wir uns grundsätzlich noch mehr Besucher wünschen“, sagt Kay Kromeier. Der Mitarbeiter der Galerie Schlichtenmaier (Grafenau und Stuttgart) warnt aber davor, „aus jeweils ganz unterschiedlich motivierten Ortswechseln von Galerien schnelle Schlüsse zu ziehen. Kromeier ist überzeugt: „Der Kunststandort Region Stuttgart ist deutlich besser als sein Ruf“.

Mit Nachdruck will Kromeier dies nun auch „sichtbar machen“. Dafür braucht es Partnerschaften, Schulterschlüsse – gerade auch solche, die überraschen. Thomas Fuchs ist mit in der Offensive. Seine Galerie zählt zu den Aufsteigern, auch national gesehen, und Fuchs versichert: „Wir fühlen uns wohl hier“. Und betont: „Die Stuttgarter Sammler haben uns den Schritt in die Internationalität ermöglicht“.

Saisonauftakt im Herbst mit dem Art Alarm

Das soll wieder deutlicher werden – und so werben Kromeier und Fuchs bereits jetzt schon für das nächste Galerienwochenende in Stuttgart. Am Samstag, 23. September, und am (Bundestagswahl-)Sonntag, 24. September, laden 17 Galerien jeweils ganztägig zum Rundgang ein. Was wird zu sehen sein? „Das Beste, was die teilnehmenden Galerien zu bieten haben“, sagt Kay Kromeier – „in jedem Fall eine sehr klare Positionierung“.

„Wir machen in Stuttgart und aus Stuttgart heraus ein sehr gutes Angebot“, ist sich Thomas Fuchs sicher. Konkret heißt dies für die beiden Galerien: Schlichtenmaier wird am Schlossplatz neue Arbeiten des diesjährigen Hans-Thoma-Preisträgers Platino zeigen, Fuchs neue Bilder des durch seine See-Szenarien bekannt gewordenen Jochen Hein.

Getragen wird der Art Alarm durch die Initiative Stuttgarter Galerien zeitgenössischer Kunst. Geht es nach Fuchs und Kromeier, wird der Verein „ganzjährig noch aktiver“ (Kromeier).

Schwellenangst nicht unterschätzen

Galerien als Türöffner zur Kunst

Die wichtigen Themen? „Ich glaube, wir sollten uns hüten, in der Begegnung mit Kunst etwas vorauszusetzen“, sagt Kay Kromeier. Gibt es sie also wieder, die gerne zitierte Schwellenangst? Und welche Aufgabe haben dann die privaten Galerien? „Wir öffnen die Türen zur Kunst“, ist Thomas Fuchs sicher, wir wecken Begeisterung, die dann auch zu Besuchen in Kunsthallen und Kunstmuseen führt“.

Wiegt aber nicht der Rückzug und Wegzug einiger Galerien in jüngerer Zeit schwer? „Jede dieser persönlichen Entscheidungen hat Einfluss auf die gesamte Szene, ganz klar“, sagt Kay Kromeier. „Aber nur zu jammern, bringt überhaupt nichts“. Sondern? „Nehmen Sie den demografischen Wandel“, sagt Kromeier. Man kann ihn beklagen. Ich glaube, man muss Konsequenzen ziehen. Wir etwa bauen unser Programm nach vorne aus.“ Und das wird aus Sicht des Schlichtenmaier-Mitarbeiters umso besser gelingen, je sichtbarer zugleich die historischen Fäden bleiben. „Man muss“, sagt Kromeier, „die Gegenwart verstehen können“.

Neue Sammlergeneration

Thomas Fuchs ist nicht weniger zuversichtlich: „Im Südwesten“, sagt er, „gibt es viele und treue Sammler, die hier auch einkaufen“. Und fast noch wichtiger: „Da kommen auch Sammler nach“. Fuchs’ Fazit: „Die Rückendeckung aus Stuttgart ist enorm“.

Messekontakte wirken zurück auf den Standort Stuttgart

Ist dies alles aber nicht ein Trugschluss? Immer wichtiger für die wirtschaftliche Basis einer privaten Galerie wird ja die Beteiligung an Kunstmessen. So zieht es Stuttgarter Galerien nicht nur nach Karlsruhe, Köln, Basel oder Berlin, sondern auch nach New York und Miami (wie Thomas Fuchs) oder gar nach Dubai und Bogota (wie Michael Sturm). Für Thomas Fuchs eine positive Entwicklung. „Die Messekontakte wirken sich auf den Standort aus“, ist er überzeugt.

Zurück in die Offensive

Schnell landet man in der Folge wieder bei der Generationenfrage. Gibt es denn in der Region Stuttgart überhaupt jene Mittdreißiger, die über die Begeisterung Wegbegleiter ihrer eigenen Generation werden? „Das Interesse“, sagt Thomas Fuchs, „ist auf jeden Fall da“. Ein Interesse, das sich „Mitte 40 verstetigt“.

Was aus alldem folgt? Stuttgarts Privatgalerien suchen den Schulterschluss, wollen zurück in die Offensive. Da kommt der Galerienrundgang Art Alarm am 23. und 24. September gerade richtig.

Der Art Alarm 2017

Was? Zum Auftakt der Herbstsaison laden die in der Initiative Stuttgarter Galerien vertretenen Galerien zum zweitägigen Rundgang ein. Dieses Jahr findet das Galerienwochenende Art Alarm am 23. und 24. September statt. Mehr: www.art-alarm.de.

Wer? Beteiligt sind die Galerien Abt Art, Klaus Braun, Von Braunbehrens, Dengler und Dengler, Thomas Fuchs, Reinhard Hauff, Andreas Henn, Keim, Brigitte March, Merkle, Schacher, Schlichtenmaier, Strzelski, Sturm, Noll, Valentien, Wehr.