Perückenkunden bedient Overmann-Frey in einem separaten Bereich. Foto: Bosch

Wer eine Chemotherapie machen muss, leidet meist sehr unter den ausfallenden Haaren. Die Inhaberin des Friseursalons Overmann in Stuttgart-Degerloch nimmt diesen Menschen zumindest eine ihrer Sorgen.

Degerloch - Todkrank von einem Moment auf den anderen: Wenn ein Mensch die Diagnose Krebs erhält, ist er in der Regel komplett überfordert. Manuela Overmann-Frey erlebt das sehr oft – obwohl sie weder Ärztin noch Seelsorgerin ist. Der 50-Jährigen gehört der Friseursalon Overmann an der Jahnstraße in Degerloch, der neben klassischen Haarschnitten, Dauerwellen und Haarfarben auch diverse Perücken und Turbane sowie Beratungstermine für Krebspatienten anbietet. Zwischen 100 und 120 an Krebs erkrankte Erwachsene und Kinder kommen jedes Jahr zu ihr – Tendenz steigend.

„Ich nehme mir meist die letzten ein, zwei Stunden am Tag für die Chemotherapie-Patienten, sodass ich bei diesen Terminen keinen Zeitdruck habe“, sagt Manuela Overmann-Frey. „Es ist wichtig, dass man den Kunden dabei genau an die Hand nimmt, denn er ist meist völlig am Ende.“ Weil die Menschen so überfordert seien, würden sie einem theoretisch alles abkaufen – zum Beispiel auch Perücken von der Stange, die überhaupt nicht an den Kopf angepasst seien. Für solche Angebote hat die Friseurmeisterin wenig Verständnis: „Der Sitz ist total wichtig. Und man muss ein gewisses Farbgefühl haben: Meist ist eine etwas hellere Haarfarbe besser als eine dunklere, weil während einer Chemotherapie die Gesichtsfarbe nicht mehr so gesund wie normalerweise aussieht.“

Perücken kosten um die 5000 Euro

Allerdings sind zumindest die Perücken aus Echthaar auch nicht ganz billig: Kurzhaarfrisuren gehen bei etwa 1300 Euro los, eine Langhaarperücke kann gut um die 5000 Euro kosten. Deutlich preiswerter sind Perücken aus Kunsthaar, die vor allem von den Chemotherapie-Patienten genutzt werden, die davon ausgehen, in absehbarer Zeit wieder eigene Haare zu haben.

In dem Salon von Manuela Overmann-Frey bekommen die Menschen auch Schminktipps– beispielsweise wie sie Augenbrauen nachzeichnen oder ausfallende Wimpern mit einem Kajalstift kompensieren können. Nach dem Besuch seien die meisten Kunden extrem dankbar – obwohl es sich ja um eine ganz normale Dienstleistung handelt, berichtet Manuela Overmann-Frey: „Wir nehmen ihnen die Angst, dass sie komisch aussehen.“ Sowieso würde es den meisten Menschen gut tun, mal aus der Krankenhausatmosphäre herauszukommen. Zwar würden die Kunden, die eine Perücke wollen, in einem separaten Bereich bedient, um ihre Privatsphäre zu wahren, trotzdem herrsche dort eine gewisse Friseur- und Wellnessatmosphäre.

Kindern wird oft erst beim Friseur der Ernst ihrer Lage klar

Und wie geht es Manuela Overmann-Frey damit, diese Krebs-Schicksale mitzuerleben? Durch die große Menge an erkrankten Kunden könne sie ihren Job und die emotionale Betroffenheit mittlerweile ganz gut trennen, sagt sie. Nur bei Kindern falle ihr dies schwer: „Manchen wird erst im Salon der Ernst ihrer Lage bewusst.“ Hilfreich für die Friseurmeisterin ist dabei, zu wissen, dass sie den erkrankten Menschen zumindest eine Sorge abnehmen kann. „Und ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sich jemand um sie kümmert.“