Die Mütter Petra Gohl-Kümpfbeck (hinten) und Sylvia Lange (vorne) kochen ehrenamtlich acht- bis neunmal pro Jahr für die Schüler der Fritz-Leonhardt-Realschule. Foto: Julia Bosch

Es gibt immer weniger Eltern, die mittags Zeit haben, um an der Schule ihrer Kinder zu kochen oder Essen auszugeben. Wir haben uns mit Ehrenamtlichen unterhalten und haben erfahren, dass das Engagement der Eltern extrem variiert – und dass gewisse Mahlzeiten bei Schülern ganz schlecht ankommen.

Degerloch - Um die 20 Paprikaschoten liegen an diesem Vormittag im Spülbecken der Mensa in der Degerlocher Fritz-Leonhardt-Realschule (FLR). Nach und nach löst Petra Gohl-Kümpfbeck den Strunk aus den Paprikaschoten heraus und schneidet sie in mittelgroße Stücke. Währenddessen widmet sich Sylvia Lange den Zucchinis. Es gibt Ratatouille an diesem Mittwoch für die Realschüler – frisch zubereitet von den zwei Neuntklässler-Müttern. Die beiden Frauen schnippeln nicht nur, sie unterhalten sich auch – über Diktate, Klausuren und wichtige Termine: „Bei den Kochterminen erfahre ich immer, was in der Schule so los ist. Petra weiß da einfach immer besser Bescheid“, sagt Sylvia Lange und schmunzelt.

An zwei bis drei Tagen pro Woche gibt es für die Realschüler eine von Eltern oder Großeltern frisch gekochte Mahlzeit. Petra Gohl-Kümpfbeck und Sylvia Lange sind ein eingespieltes Team, sie kochen acht- bis neunmal pro Jahr an der FLR. „Andere Eltern kochen nur ein- oder zweimal pro Jahr“, sagt Petra Gohl-Kümpfbeck. Denn es sei schließlich auch eine Frage der Zeit: Welche Eltern haben heutzutage noch genügend Kapazitäten, um an einem Wochentag von 10.30 bis 14 Uhr in der Schulmensa zu stehen, zu kochen, Essen auszugeben und anschließend das Kochgeschirr zu reinigen?

Eltern haben weniger Zeit für Ehrenamt

„Natürlich merken wir die vermehrte Berufstätigkeit der Eltern“, sagt Traudel Roeck. Die pensionierte Lehrerin koordiniert seit 2008 die Mittagessensorganisation an der FLR. „Die Zahl der ehrenamtlichen Eltern ist leicht rückläufig.“ Trotzdem stehen sie und die Schule weiterhin zu dem Konzept. Das bestätigt auch die Rektorin Karin Grafmüller: „Wir wollten von Anfang an keinen Caterer, sondern dass für die Schüler vor Ort frisch und mit Liebe gekocht wird.“ Das zeigt sich auch an den Gerichten: So würde zum Beispiel zweimal im Jahr ein Vater eines Realschülers kochen, der schon gar nicht mehr an der Schule sei. „Er macht Kaiserschmarrn aus 120 Eiern“, berichtet Traudel Roeck mit großen Augen.

Etwa 60 Eltern und Großeltern kochen regelmäßig an der FLR. „Wir bemühen uns, die Eltern nicht mehr als dreimal pro Jahr einzusetzen“, sagt Roeck. Manche würden sich extra einen Tag Urlaub nehmen, um für ihre Kinder und deren Mitschüler zu kochen. „Wenn die Eltern oder Großeltern eines Schülers kochen, bekommt dieser an dem Tag das Mittagessen umsonst“, erläutert Roeck. Andernfalls kostet die frisch gekochte Mahlzeit mit Salat, Nachtisch und Mineralwasser 2,50 Euro. Nur donnerstags müssen die Kinder drei Euro bezahlen, an diesem Tag kommt das Essen von einem Caterer. Und montags wird oft gemischt: Die Hauptzutat kommt vom Metzger, die Beilagen kochen die Eltern frisch. Ganz ähnlich ist es beispielsweise auch am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch, dort kochen Eltern an drei Tagen frisch.

Mehr Geld von der Stadt für das Mittagessen

Vor Kurzem hat die Stadt sowohl der Fritz-Leonhardt-Realschule als auch dem benachbarten Wilhelms-Gymnasium mehr Geld für die Mittagessensorganisation bereitgestellt. Die FLR erhielt bisher 6000 Euro, nun sind es 13 200 Euro, beim WG steigt der Zuschuss von 13 200 Euro auf 19 800 Euro. „Die ehrenamtlichen Eltern haben von diesem Geld aber nichts, da verdient niemand etwas“, stellt Karin Grafmüller klar. Stattdessen werde mit dem Geld eine weitere 450-Euro-Kraft bezahlt, die mittags in der Mensa sei, sich auskenne, den Eltern gegebenenfalls behilflich sei und sich um die Reinigung des Geschirrs gemeinsam mit Schülern kümmere.

Am Wilhelms-Gymnasium (WG) und beispielsweise auch dem Paracelsus-Gymnasium Hohenheim (PGH) werden die Schüler von einem Caterer beliefert. Eingespannt sind die Eltern aber trotzdem: Sie geben das Essen aus – und auch dafür ist es nicht immer einfach, genügend Ehrenamtliche zu finden. Birgit Schäfer und Birgit Weber können davon ein Lied singen. Die zwei ehrenamtlichen Mütter koordinieren seit mehreren Jahren die Mittagessensplanung am WG – und manchmal ist das wie ein Halbzeitjob. „Es wird immer schwieriger, Eltern zu finden, die bei uns Essen ausgeben“, sagt Schäfer. Zugleich steige aber die Erwartungshaltung der Eltern; sie seien es zunehmend gewohnt, dass ihre Kinder an der Schule rundum versorgt werden. Das zeigen auch die Zahlen: Wurden 2004 am WG noch rund 6000 Essen im Jahr ausgegeben, waren es bei der Fertigstellung der Mensa im Jahr 2015 bereits 10 300 Essen, im Jahr 2017 sogar 18 700. „Und das wird immer mehr“, prognostiziert Schäfer.

Manche Eltern helfen nie

Am WG müssen sich Mütter und Väter bei Elternabenden in Listen eintragen, an welchen Terminen sie Essen ausgeben können. Gleichmäßig verteilt sind die Dienste trotzdem nicht, manche helfen zehnmal im Jahr, andere nie. „Man kann niemand zwingen. Aber wir würden uns schon wünschen, dass die Eltern, deren Kinder regelmäßig in der Mensa essen, sich auch mal beim Mittagessen engagieren“, sagt Birgit Weber. Dazu kommt, dass die zwei Ehrenamtlichen immer wieder spontan umplanen müssen, wenn bei Eltern etwas dazwischenkommt. „Wir sind auf Kante genäht.“

Vor Kurzem haben Birgit Schäfer und Birgit Weber den Caterer für das Wilhelms-Gymnasium gewechselt. Lange kamen die Mahlzeiten vom Lothar-Christmann-Haus in Hoffeld, nun ist der Sonnenhof aus Remseck zuständig. „Manche Schüler tun sich schwer, wenn es ihr Lieblingsessen plötzlich nicht mehr gibt, aber mir war es wichtig, mal wieder andere Menüs anzubieten“, sagt Schäfer. Jeden Tag Fleisch sei heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Nun gibt es einmal pro Woche Fisch, ein- bis zweimal Fleisch und ansonsten vegetarische Variationen. Nur drei Gemüsesorten versuchen die Mütter gemeinhin zu vermeiden: Fenchel, Blumenkohl und Brokkoli schätzen nämlich nur die allerwenigsten Kinder.