Vom Santiago-de-Chile-Platz aus sieht man die Landeshauptstadt von oben. Diesen Blick wollen sich Anwohner durch den Neubau nicht nehmen lassen Foto: z/Bernd Möbs

Verkauft ist das Areal bereits: Neben dem Santiago-de-Chile-Platz in Stuttgart-Degerloch soll ein Laden mit Bäckerei und Café gebaut werden. In der öffentlichen Anhörung brachten Anwohner ihren Unmut zum Ausdruck. Der Investor versuchte, sie zu beruhigen, indem er das Café nur als i-Tüpfelchen bezeichnete.

Degerloch - Wohnungen? Die hätten die Mitarbeiter der Stadt Stuttgart an dieser Stelle nicht erlaubt, obwohl in der Landeshauptstadt ein solcher Mangel an Wohnraum herrscht wie schon lange nicht mehr. Doch es fehlt freilich vor allem an bezahlbaren Wohnungen – und die wären in dieser exponierten Lage, neben dem beliebten Aussichtspunkt Santiago-de-Chile-Platz, vermutlich sowieso nicht entstanden. Stattdessen soll auf dem 371 Quadratmeter großen Areal am Haigst, auf dem bisher ein kleiner Lebensmittelkiosk steht, ein Laden mit Bäckerei, Café und Dachterrasse gebaut werden.

„Das aktuelle Gebäude ist in keinem besonders guten Zustand“, sagte Susanne Frucht vom Stadtplanungsamt in der öffentlichen Anhörung zu dem Thema am Montagabend. Aus diesem Grund hat die Stadt das Gelände an einen privaten Investor verkauft. „Unser Bestreben ist es, dass sich jeder innerhalb von 500 Metern mit den Waren des täglichen Bedarfs eindecken kann. Und auf dem Haigst ist die Nahversorgung nicht sehr gut – auch weil klar ist, dass sich der Kiosk dort nicht mehr lange halten kann“, sagte Frucht.

„Froh, dass die Bude endlich wegkommt“

Der Neubau soll insgesamt vier Stockwerke hoch werden. Ganz unten im Untergeschoss soll es Toiletten geben, außerdem Platz für Anlieferung, Lager und Abfall. In das sogenannte Sockelgeschoss, das durch das Gefälle auf dem Areal möglich ist, wird der Laden einziehen. Die Bäckerei soll im Erdgeschoss sein, im Obergeschoss das Café mit einer Dachterrasse. Diese soll „intensiv begrünt“ werden – nicht zuletzt deshalb, damit die Cafébesucher den Anwohnern nicht ins Schlafzimmer sehen können.

„Das Café ist mit etwa 70 Quadratmetern sehr klein und nur das i-Tüpfelchen. Der Hauptteil ist die Nahversorgung“, versuchte der Investor Reiner Sedelmeier die Anwohner zu besänftigen, die am Montagabend vor allem gekommen waren, um ihren Unmut über das Projekt loszuwerden. „Ich verstehe, dass es den Anwohnern nicht schmeckt, dass ihnen vor ihr Haus ein Gebäude gesetzt wird. Aber ich habe auch viel Zuspruch von Leuten erhalten, die ‚froh sind, dass die Bude endlich wegkommt’“, spielte Sedelmeier auf den bisher in einem Behelfsbau untergebrachten Ladenkiosk an.

Anwohner wollen ihre Aussicht behalten

Albert Groß gehört nicht zu diesen Menschen, die froh sind, wenn dort ein Neubau entsteht: „Meine größte Sorge ist die Verkehrssicherungspflicht. Schon jetzt sieht der Zacke-Fahrer dort zu wenig.“ Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) seien jedoch bereits mit dem Investor und dem Architekten im Gespräch, versicherten diese. Andere Anwohner sorgten sich um den möglicherweise zunehmenden Verkehr an der Alten Weinsteige und damit verbundene Gefahren für Kinder, Fußgänger und Radfahrer. Diesbezüglich glaubt Sedelmeier: „Die Frequenz der Gäste wird nicht durch Autoverkehr kommen, sondern durch Wandergruppen, Radgruppen, Fußgänger und Nutzer des ÖPNV.“

Nur eine Sorge konnte an dem Abend weder der Investor Sedelmeier noch die Stadtplanerin Frucht aus dem Weg räumen. „Ich wohne dort seit 30 Jahren und man genießt die Aussicht. Die wird uns genommen“, klagte Peter Breideneich, der gegenüber des derzeitigen Kiosks lebt. Was ihn beruhigen könnte: Bis es einen Bebauungsplan gibt, vergehen voraussichtlich noch mindestens zwei Jahre. Und gebaut wird wohl frühestens 2024.