Im August beginnt für Laura Kurzendörfer und Florian Schwemmer das Kita-Praktikum in Sarajevo. Foto: Tatjana Eberhardt

Laura Kurzendörfer und Florian Schwemmer von der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Botnang können dank eines Stipendiums im August dieses Jahres ein Kita-Praktikum in Sarajevo absolvieren.

Botnang - Fremde Kultur, fremde Sprache, fremde Religion: Bei den angehenden Erziehern Laura Kurzendörfer und Florian Schwemmer steigt die Spannung. Die beiden wissen seit einer Woche, dass sie ein Auslands-Stipendium der Bernstein Köllner Stiftung ergattert haben. Im Rahmen des Projekts „Interkulturelles Lernen für angehende Erzieherinnen und Erzieher“ dürfen sie sechs Wochen lang ein Kita-Praktikum in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo absolvieren. „Vor allem freue ich mich auf die Erfahrung, selbst mal fremd zu sein und mich somit in die Situation der Kinder in unseren Kitas versetzen zu können, die aus anderen Kulturen stammen“, sagt Florian Schwemmer, der eine praxisintegrierte Ausbildung (PiA) an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Botnang macht. Er wird der erste männliche Erzieher sein, der in die Kita nach Sarajevo entsendet wird. Bei Kommilitonin Laura Kurzendörfer steigt auch die Vorfreude: „Bosnien ist kein typisches Reiseziel, ich bin daher sehr neugierig darauf, was wir erleben werden.“ Auch ihr ist es wichtig, Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Sprachen, Kulturen, Religionen und Lehrplänen zu machen: „Mit Sicherheit wird dieses Erlebnis mir im späteren Berufsleben sehr helfen.“

Kita-Praktikum im muslimisch geprägten Ausland

Seit vier Jahren richtet die Stiftung in Kooperation mit der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Botnang ein Kita-Praktikum im muslimisch geprägten Ausland aus, um die Begegnung mit der islamischen Kultur zu fördern. „Die Bedürfnisse in unseren Kitas haben sich geändert, Interkulturalität spielt eine große Rolle. Dieses praxisorientierte Projekt ist der richtige Weg, um eine kultursensible Haltung in den Kitas auszubauen. Ich halte diese Erfahrung, mal selbst Ausländer zu sein und damit den Blick von außen einzunehmen, für sehr relevant“, sagt Stiftungs-Projektleiterin Roswitha Wenzl.

Dass dieser „Blick von außen“ von Vorteil sein kann, weiß Gabriele Vogt, Leiterin des Kindergartens der Fachschule in Botnang. „Ich habe in meinem Team Menschen mit Migrationshintergrund, sie sind äußerst wertvoll.“ Viele Eltern würden oftmals unterschiedliche Erwartungen in Sachen Erziehung mitbringen. Als Erzieherin seien daher zumindest Grundkenntnisse nötig, um Elternbedürfnisse als auch Erziehungsvorstellungen mit den Werten und Schwerpunkten in der Kita in Einklang zu bringen.“ Drei Erzieherinnen aus Istanbul, Hikmet Dolun Binzinger, Özlenen Kas und Gamze Ünsal waren vor Kurzem Hospitantinnen in der Einrichtung. Es war ein Gegenbesuch des Stiftungsprojekts, das 2017 in Istanbul ausgerichtet wurde. „So ein Perspektivenwechsel ist toll, denn wir Erzieherinnen sind Vorbilder. Daher ist es umso wichtiger, empathisch zu sein und andere verstehen zu wollen“, sagt Özlenen Kas. „Wir haben viel gelernt, konnten unser Land repräsentieren, aber auch Vorurteile abbauen und auflösen.“

Projekt soll im Lehrplan verankert werden

Der Wunsch, dass ein solches Projekt „Schule macht“, ist groß: „Es wäre wünschenswert, wenn das Kultusministerium das Projekt im Lehrplan verankert. Denn dadurch wird die Reflexionsfähigkeit gestärkt und Handlungsoptionen können erarbeitet werden. Ein Abbau von Vorurteilen ist zudem möglich – da kommt die schulische Ausbildung derzeit an ihre Grenzen“, erklärt Birgit Deiss-Niethammer, Leiterin der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart. Sie sagt aber auch, dass die Umsetzung nicht einfach sei, denn für die Durchführung brauche es Netzwerke, Erfahrungen und Wissen – das alles habe man sich auch erst aufbauen müssen. Philip C. Hansis, Vorstandsvorsitzender der Bernstein Köllner Stiftung, ergänzt: „Wir sehen das Projekt als einen Impuls zur weiteren Qualifikation in der Erzieherausbildung, der eine persönliche als auch fachliche Bereicherung mit sich bringt und die auch den zu betreuenden Kindern von großem Nutzen sein kann.“