Die Bezirksbeiräte und Ehrenamtliche aus dem Birkacher Norden beklagen nach einem Ortsbesuch unter anderem Schimmelbefall und schlechte Sanitäranlagen. Foto: Archiv Sägesser

Die Geschichten klingen drastisch: Die Kinder aus den drei Fürsorgeunterkünften in Stuttgart-Birkach würden gemobbt wegen des an der Kleidung anhaftenden Geruchs der Kohleheizung. Über den Zustand der Häuser ist ein Streit entbrannt, der wohl andauern wird.

Birkach - Es ging um Grundsätzliches: Welche Wohnbedingungen sind einem Menschen in einem sozialen Rechtsstaat zumutbar? Wo beginnt die soziale Ausgrenzung von Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen? Die Bezirksbeiräte beriefen sich in der jüngsten Sitzung ihres Gremiums zwar nicht gleich auf den ersten Artikel des Grundgesetzes. Er erklärt die Würde des Menschen in Deutschland für unantastbar. Doch in fast jeder zweiten Äußerung fiel das Urteil „menschenunwürdig“ über die Zustände in den drei Fürsorgeunterkünften an der Erisdorfer Straße. Helmuth Caesar, technischer Geschäftsführer der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), wand sich sichtlich bei jedem derartigen Vorwurf. Mit Nachdruck wies er zurück, dass in den drei Gebäuden an der Erisdorfer Straße 100, 104 und 108 eben kein Leben in Würde möglich sei.

Er zeigte den Bezirksbeiräten Fotos. Auf den Vorher- und Nachher-Aufnahmen verschwindet ein Riss in der Wand in einer der Fürsorgeunterkünfte. Es sei lediglich ein oberflächlicher Spalt gewesen, der ohne Probleme geschlossen werden konnte, sagte er. Von einer Bedrohung der Statik der Gebäude oder gar von einer Gefährdung der Bewohner könne gar keine Rede sein. „Wir beobachten das selbstverständlich“, sagte er. Aus Sicht der SWSG gebe es derzeit keine Alternative dazu, die Bauten immer wieder instandzusetzen, wenn Probleme auftauchen. Eine Generalsanierung lohne sich dagegen angesichts des Zustands der Bausubstanz nicht mehr. „Da würden wir dann gleich neubauen“, sagte er.

Bezirksbeiräte haben Unterkünfte besucht

Eben ein solcher Schritt käme den Bezirksbeiräten zupass. Sie haben im vergangenen Herbst gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus dem Arbeitskreis Birkach-Nord die drei Unterkünfte an der Erisdorfer Straße besucht. Seitdem erheben sie die Forderung, die aus ihrer Sicht maroden Unterkünfte abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Der SWSG-Geschäftsführer machte den Bezirksbeiräten aber keine Hoffnung, dass dies unmittelbar bevorstehen könnte. „Das ist eine mittelfristige Option, das heißt, wir sprechen von zehn bis 15 Jahren“, sagte er.

Bis dahin könnten die Unterkünfte aus seiner Sicht sicher und – erneut fiel das Wort – menschenwürdig bewohnt werden, meinte er. Die Bezirksbeiräte unterstrichen ihre Forderung nach einem Abriss der Unterkünfte mit drastischen Geschichten. Eine Lehrerin würde erkennen, dass ein Schüler aus den Unterkünften käme, da seine Schulhefte nach Briketts röchen, wurde beklagt. Die Kinder aus den Unterkünften würden sogar gemobbt wegen des an der Kleidung anhaftenden Geruchs der Kohleheizung, hieß es weiter.

Die Kinder der Bewohner röchen nach Briketts

Für den SWSG-Geschäftsführer stand fest, dass eine Brikettheizung allein kein Kriterium dafür sein könne, eine Wohnung menschenwürdig zu nennen oder nicht. „Viele Wohnungen in Stuttgart heizen noch mit Briketts“, sagte Caesar. Joachim Kausch, stellvertretender Bezirksbeirat der Birkacher Grünen, bemängelte daraufhin, dass eine Kohleheizung in Fürsorgeunterkünften unpassend sei angesichts der Feinstaubbelastung in der Stadt.

Caesar verwies auf den Charakter der Unterkünfte. Sie dienten dazu, Menschen in der Krise auf eine bestimmte Zeit vor der Obdachlosigkeit zu bewahren und könnten nicht mit Sozialwohnungen verglichen werden. Deshalb müssten auch die Kosten gering gehalten werden. „Ich will nichts über unsere Kunden sagen, aber es handelt sich um eine Klientel, die große Probleme hat“, sagte Caesar. Für Anastasia Schmid, sachkundige Bürgerin für Migration, stand es dennoch außer Frage, dass die Fürsorgeunterkünfte zumindest einer neuen Heizung bedürften. „Die Menschen mögen arm sein, aber es sind Menschen“, sagte sie.