Ein Polizeiwagen steht nach dem Raubüberfall vor dem Kaufhof an der Königstraße in Stuttgart. Foto: PPfotodesign.com

Täter bedroht Mitarbeiter und entkommt mit Tausenden Euro – Alarm erst knapp eine Stunde später.

Stuttgart - Ihn interessierten nicht Schlussverkaufsschnäppchen, sondern die Tageseinnahmen: Ein Unbekannter hat am Donnerstagnachmittag die Verwaltung der Galeria Kaufhof in der Königstraße überfallen. Der Raub blieb lange unbemerkt - die Polizei wurde später alarmiert.

"Kaufhof überfallen": Um 15.47 Uhr ging am Donnerstag der Alarm bei der Polizei ein - und die Ordnungshüter rückten zur Großfahndung rund um den Tatort in der unteren Königstraße aus. Freilich: Der bewaffnete Räuber, der in der Filiale mehrere Tausend Euro erbeutet hatte, war schon längst über alle Berge. Sein Vorsprung: Fast eine Stunde.

Was genau passiert war, darüber gab es auch am Abend noch viele Unklarheiten. Der Geschäftsführer der Stuttgarter Galeria-Kaufhof-Filiale in der Königstraße, Thomas Benedetti, gab sich wortkarg - und hatte offenbar auch erst einmal den Schock des Überfalls zu verdauen. Die Tat hatte sich in der Verwaltung, abseits des Kundenbetriebs, im rückwärtigen Bereich des Kaufhauses abgespielt. "Ich kann nur sagen", so Benedetti gegenüber unserer Zeitung, "dass bei dem Überfall zum Glück niemand zu Schaden gekommen ist."

Der Täter trug einen Alukoffer

Die Umstände deuten darauf hin, dass der Räuber sich bestens auskannte. Um überhaupt in den Verwaltungsbereich zu gelangen, in dem sich unter anderem die Buchhaltung befindet und die Einnahmen zwischengelagert werden, bedarf es einer Berechtigung. Die verschaffte sich der Unbekannte offenbar durch Verkleidung: Auf der linken Brustseite seines Mantels war ein auffälliges Abzeichen geheftet, mit dem er auf den ersten Blick wie ein Mitarbeiter wirkte. Offenbar reichte das aus, um sich gegenüber den Angestellten zu legitimieren und Zutritt in die Büroräume zu bekommen.

Es war gegen 15 Uhr, als er plötzlich eine Pistole zückte und in einem Büroraum einen Angestellten bedrohte. Er zwang das Opfer, mehrere Tausend Euro herauszugeben - und flüchtete. Dabei dürfte er über das Zwischengeschoss hinüber ins Kaufhof-Parkhaus in der Kronenstraße gelangt sein. Von dort aus rannte er in Richtung Lautenschlagerstraße davon. "Womöglich ist er dort in einen Fluchtwagen gestiegen", sagt Polizeisprecher Jörg Kurowski.

Der Täter könnte durchaus aufgefallen sein. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei ist er etwa 40 bis 45 Jahre alt und mit 1,90 bis 2,00 Meter auffallend groß. Vor allem aber: Der Mann in dunklem Anzug und Mantel trug einen Alukoffer. Das Raubdezernat der Stuttgarter Kriminalpolizei bittet unter der Rufnummer 0711/ 8990- 5461 um Hinweise.

Die Masche ist nicht neu

Warum die Polizei erst um 15.47 Uhr alarmiert wurde, darüber herrscht zunächst Stillschweigen. Offiziell unbestätigt blieb die Version, dass der Täter sein Opfer mit einer Drohung massiv eingeschüchtert hatte, um sich einen Vorsprung zu verschaffen.

"Wir können darüber nichts sagen, weil wir kein Täterwissen preisgeben wollen", erklärt Polizeisprecher Kurowski die Zurückhaltung. Freilich: Die Masche, sich als falscher Mitarbeiter zu verkleiden und dann mit der Beute zu türmen, ist nicht neu. Ende vergangenen Jahres hatte sich in einem Großmarkt in Filderstadt-Bernhausen ein Täter gleichen Alters als Verkäufer verkleidet, um mit Zigarettenstangen im Wert von mehreren Tausend Euro zu verschwinden. Er tauchte sogar zweimal auf - und ist bis heute nicht ermittelt.

Die Stuttgarter Kaufhof-Filiale in der Königstraße ist übrigens nicht zum ersten Mal ins Visier von Schwerverbrechern geraten. Es war ebenfalls ein 2.Februar, als die Polizei einen Erpresser aus Bad Cannstatt überführen konnte. Im Jahr 1998 hatte der Täter der Geschäftsführung in mehreren anonymen Schreiben Brand- und Sprengstoffanschläge angedroht. Er forderte sechs Millionen Mark, umgerechnet 3,1 Millionen Euro. Der Fall blieb geheim, und bei der Kriminalpolizei wurde eine Sonderkommission Gold gegründet, die schließlich über die geplanten Geldtransaktionen auf die Spur des Urhebers kam: Es handelte sich um einen 51-jährigen Cannstatter, einen verschuldeten und vom Dienst suspendierten Hauptschullehrer.