Das Konzertplakat der Jimi-Hendrix-Tour im Jahr 1969, die ihn im Januar in die Stuttgarter Liederhalle führte. Foto: Claus Böhm

Zum 50. Todestag einer Rocklegende erinnern wir an den Auftritt von Jimi Hendrix 1969 in der Liederhalle. Damit begann eine neue Zeitrechnung in Stuttgart. „Dieses Konzert hat mein Leben verändert“, schreibt ein Leser.

Stuttgart - 77 wäre er heute. Doch Jimi Hendrix, der das Gitarrenspiel revolutionierte, gehörte zum „Club 27“, zu Musiklegenden wie Janis Joplin, Jim Morrison und Kurt Cobain, die im Alter von 27 Jahren viel zu früh gestorben sind und Herausragendes hinterlassen haben.

Zum 50. Todestag des US-amerikanischen Gitarrengotts am kommenden Freitag erinnern wir an ein Ereignis, das in Stuttgart Stadtgeschichte geschrieben hat. Bis heute ist das Saitenspiel von Jimi Hendrix stilprägend. Der Meister der Rückkopplung holte Töne aus der Gitarre, wie man es zuvor nicht kannte - mit Zunge, Zahn und Herz.

„Dieser Auftritt hat mein Leben verändert“

Wer bei einem der beiden Auftritte von Jimi Hendrix am 19. Januar 1969 in der Liederhalle dabei war, ist an diesem Tag womöglich ein anderer Mensch geworden. Peter Vaihinger bringt es im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums auf den Punkt: „Es war mein erstes Live-Konzert mit 14 Jahren. Meine große Schwester musste als Aufpasserin mit. Der Auftritt hat mein Leben verändert. Nicht mehr und nicht weniger.“

Es sind Zahlen wie aus einer anderen Welt. Der Eintritt betrug neun D-Mark – einschließlich der Mehrwertsteuer, die gerade mal bei 5, 5 Prozent lag. Der Sonntag, 19. Januar 1969 ist der Tag, an dem eine neue Zeitrechnung begann. Das erste Rockkonzert in der Geschichte der Liederhalle gilt heute als Startschuss für die heimische Rockszene.

Russ erinnert sich: Hendrix verlangte kein Catering

Noch dachte keiner daran, die Stuhlreihen aus dem Beethovensaal zu entfernen. Als der damals 26-jährige Jimi Hendrix „The Star-Spangled Banner“ spielte und die amerikanische Nationalhymne dabei zerstückelte, standen etliche der zahlreich erschienenen US-Soldaten instinktiv auf und salutierten. Den Protest des Gitarristen hatten wohl nicht alle von ihnen verstanden.

Zeitungskritiker Hans Fröhlich, der später auch als Wirt der Weinstube Widmer in der Altstadt bekannt wurde, hatte Jimi Hendrix beim Stuttgart-Konzert wie eine „Dschungelausgabe des Tänzers Rudolf Nurejew“ erlebt. Mit den Zähnen habe dieser die Gitarrensaiten liebkost und dabei „tonale Orgasmen“ ausgelöst, so Fröhlich.

Konzertveranstalter Michael Russ, damals 23 Jahre alt, erinnert sich an ein „unglaubliches Ereignis“. Das erste Konzert, auf 20 Uhr angesetzt, sei im Nu ausverkauft gewesen, weshalb man Hendrix auch schon um 17 Uhr spielen ließ. „Diese große Nachfrage kannten wir bisher nur von der Klassik, etwa von den Berliner Philharmonikern mit Karajan“, sagt Russ, „aber im Unterhaltungsbereich war das ein neues Phänomen“. Der Star aus den USA habe kein Catering verlangt, erzählt der Veranstalter weiter und freut sich noch heute: „Jimi Hendrix war eine Persönlichkeit, wie es nur wenige gibt. Mir würde bei all den Künstlern, die ich kennengelernt habe, etwas fehlen, wenn ich ihn nicht in Stuttgart gehabt hätte.“

Ein halbes Jahr danach war Woodstock

Hans Schweizer, Chef von Sound of Music, vergisst nie, wie ein Tag vor den Stuttgart-Konzerten vor seinem Laden eine Lincoln-Limousine vorfuhr. Darin saß der Ausnahmemusiker, der noch was einkaufen musste. Fans hatten seine Pedale zum Verzerren als Souvenir von der Bühne geklaut. In dem Stuttgarter Musikgeschäft steht noch heute der Original-Sessel, auf dem Jimi Hendrix saß.

Bica Stöcklein schreibt: „Mein Vater war damals auch dabei, die Musik von Jimi ist bei uns noch allgegenwärtig, selbst mein Neffe mit seinen 15 Jahren ließ die Platten schon in jungen Jahren (mit sechs ) rauf und runter laufen.“

Ein halbes Jahr nach dem ersten Rockkonzert in der Liederhalle war Woodstock. Anderthalb Jahre später - am 18. September 1970 - war Jimi Hendrix tot, mit 27 von Drogen zerstört.

Erst 1983 gab es das erste Konzert in der Liederhalle ohne Stühle

Stuttgart zählt zu den ersten deutschen Großstädten, die nach dem Krieg ein neues Konzerthaus bauten. Dies gilt als das Verdienst des OB Arnulf Klett, der zu den eifrigsten Konzertbesuchern des Politiker-Berufsstandes gehörte. Auf dem Gelände der im Oktober 1943 von Kriegsbomben zerstörten alten Liederhalle haben die Architekten Adolf Abel und Rolf Gutbrod ein Konzerthaus errichtet, das mehr als ein solches war. „Es ist auch ein Maschinenhaus“, schrieb damals ein Zeitungskritiker.

Es ist die zweite Liederhalle. Vom ersten Konzerthaus, das 1863 bis 1864 auf Initiative des Stuttgarter Liederkranzes als „Gesellschaftshaus“ erbaut worden war, blieben nur einige Mauern übrig. Es war wiederum der Liederkranz, der mit einem Konzert in den Ruinen nach dem Krieg für eine neue Bühne trommelte. Das Eröffnungskonzert von Karl Münchingers Kammerorchester im Juli 1956 war „ein Hymnus an die neue Liederhalle“, wie in unserer Zeitung zu lesen war.

Jimi Hendrix war noch im bestuhlten Beethovensaal aufgetreten. Erst am 17. Januar 1983 verschwand die Bestuhlung bei einem Konzert - BAP rockte in die neue Ära hinein.

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