Blick auf die Planie während der Bauarbeiten für den Kleinen Schlossplatz im Jahr 1968.. Foto: Haus des Dokumentarfilms

Die heutige Rückschau unseres Stuttgart-Albums könnte zugleich ein Blick zur Gegenwart sein: Das große Wühlen im Untergrund hat schon früher – ganz so wie jetzt – die Stadt geplagt. Wir zeigen Dauerbaustellen der 1960er und 1970er Jahre.

Stuttgart - Als „Stadt der Buddelbrooks“ ist Stuttgart in den 1970ern verspottet worden. Im Hotspot des Bauens und Buddelns, lästerte man, sollte der Maulwurf das Rössle ablösen und neues Wappentier werden.

Das große Wühlen im Untergrund wiederholt sich. Menschen, die in den 1960ern und 1970ern in Stuttgart lebten, kennen die Dauerbaustellen zu gut, die schon damals kein Ende nehmen wollte. Vom Durchbruch der Planie über den Charlottenplatz, der gleich mehrfach für Autos und Straßenbahn untertunnelt worden ist bis zur Königstraße, wo man die Schienen herausgerissen hat, um ein Riesenloch zu graben und zum Hauptbahnhof, wo es mit der Klett-Passage in die Tiefe ging – mehrfach hat sich das Gesicht von Stuttgart völlig verändert. Dafür gab’s damals den wenig schmeichelhaften Beinamen: „Stuttgart, die Stadt zwischen Löchern und Gräbern“. Man könnte heute auch sagen: „Stuttgart, die Stadt zwischen Bauzaun und Kränen.“

Planiedurchbruch hat im Jahr 1966 begonnen

Am 2. Juli 1962 hat man damit begonnen, die City zu unterkellern. Am Charlottenplatz bohrte sich der erste Spaten fürs Tunnelnetz ins Erdreich. Es war eine Operation am offenen Herzen – trotz der Großbaustelle sollte es auf den umliegenden Straßen nicht zum Verkehrsinfarkt kommen. 1966 ist die Jungfernfahrt der Strampe zwischen Holzstraße und Staatstheater gefeiert worden.

Im Jahr 1966 haben die Bauarbeiten für den Planiedurchbruch begonnen. Nach langem Streit um das Kronprinzenpalais sollte 21 Jahre nach Kriegsende eine neue Querverbindung den Autos zum schnellen Durchkommen verhelfen. Die Kriegsbomben hatten das ehemalige Domizil des Kronprinzen zwar zerstört, doch man hätte es sanieren und aufbauen können. Der Geist der damaligen Zeit verlangte indes nach der „autogerechten Stadt“.OB Arnulf Klett wollte eine Ost-West-Verbindung in der City schaffen, was Bahnhofserbauer Paul Bonatz als prominente Stimme nicht verhindern konnte. 1963 ist das Kronprinzenpalais abgerissen worden – und der Stadt wurde eine tiefe Wunde zugefügt, von der sie sich über Jahrzehnte nicht erholen konnte. Der Kleine Schlossplatz entstand – eine Betonburg, die neue Probleme brachte. 1978 sind die Gleise der Königstraße herausgerissen werden, damit diese zur Fußgängerzone werden konnte.

„Die Baustellen sind wieder da – Stuttgart ist dann mal weg“

Vom einstigen Charme Stuttgarts war in den 1970ern wenig übrig geblieben. Vor der Bundesgartenschau 1977 fürchten die Verantwortlichen im Rathaus, die Stadt könne wenig anziehend wirken. Also hat man damals beschlossen, die größten Baustellen vorläufig oder endgültig zu deckeln. „Lieber jetzt ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, lautete die Devise. Löcher wurden zugeschüttet, mit Grünstreifen bestückt oder mit jungen Bäumen bepflanzt.

Die Welt sollte davon erfahren. Deshalb engagierten die Stadtwerber für eine Plakataktion eine junge Frau, die an das Sexsymbol Ingrid Steeger erinnerte. Die Blonde trug lediglich das Stuttgarter Rössle, das in der Mähne mit Blumen geschmückt war und lüstern aus den Armen der Klimbim-Kopie hervorlinste. Die Aufschrift des Plakats: „Stuttgart ist wieder da – die Baustellen sind weg.“ Heute könnte als neuer Spruch auf Plakaten stehen: „Die Baustellen sind wieder da – Stuttgart ist dann mal weg.“

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