Das Landgericht hat einen 28-Jährigen wegen versuchten Totschlags verurteilt. Foto: dpa/Patrick Seeger

Weil er einem Mann in einer Stadtbahn in Stuttgart ohne Grund ein Messer in den Hals gerammt hatte, ist ein 28-Jähriger zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Stuttgart - Er sei bereits 2014 gestorben und wolle zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt werden, sagt der Angeklagte in seinem letzten Wort vor dem Urteil. Zuvor hatte Staatsanwalt Per Krafft sieben Jahre und zwei Monate Gefängnis gefordert, Verteidiger Bernhard Krinn hat auf sechs Jahre plädiert.

Der 28-jährige Angeklagte steht vor der 9. Strafkammer des Landgerichts, weil er einem Fahrgast in der Stadtbahnlinie U 7 unvermittelt ein Messer in den Hals gerammt hatte.

Der Vorfall hatte sich am 28. September vergangenen Jahres gegen 23.30 Uhr zwischen Ostfildern und Sillenbuch ereignet. Der 28-Jährige, ein Türke mit kurdischen Wurzeln, hatte mit 1,4 Promille Alkohol im Blut laut Musik aus seinem Mobiltelefon gehört. Ein 37-jähriger Fahrgast bat den Mann, die Musik leiser zu machen oder Kopfhörer zu benutzen. Auf dem Überwachungsvideo ist der dramatische Fortgang dieser Allerweltssituation zu sehen.

„Und schon kam das Messer“

Der Angeklagte steht auf, geht zu dem anderen Fahrgast, baut sich vor ihm auf, beide stehen. „Und schon kam das Messer“, so der Geschädigte im Zeugenstand. Der 28-Jährige hatte ihm wortlos mit einem Messer mehrfach in den Hals gestochen. Der 37-Jährige, ein in Selbstverteidigung geübter Sportlehrer, greift die messerführende Hand des Angreifers und nimmt ihn in den Schwitzkasten.

Ein herbeigeeilter Fahrgast drückt dem Opfer ein Tuch auf die stark blutenden Halswunden, während der Angreifer immer noch im Schwitzkastengriff gefangen ist. So verharrt das Trio, bis die Polizei eintrifft und den 28-Jährigen dingfest machen kann. Das Opfer wird in einer Notoperation gerettet. Laut der Rechtsmedizinerin hat der 37-Jährige viel Glück gehabt. Hätte es nur wenige Minuten länger gedauert, der 37-Jährige wäre wohl verblutet. Zu allem Übel war die Klinge des Messer in einer der Wunden abgebrochen.

Der Angeklagte hat die Tat am ersten Prozesstag gestanden. Weil der 37-Jährige sich über die Musik beschwert hatte, sei er aufgestanden, habe das Obstmesser herausgezogen und habe zugestochen. Ein „Psychounfall“ sei das gewesen. Es gehe ihm „vom Kopf her nicht gut“, er müsse in Behandlung, so der Mann, der laut eigener Aussage in Syrien mit kurdischen Milizen gegen die Terrororganisation IS gekämpft hat. Später sei er in der Türkei verhaftet und gefoltert worden. Seit 2016 ist er in Deutschland.

Voll schuldfähig

Hier ist er offenbar schon mehrmals aufgefallen. In der Unterkunft in Sillenbuch, in der er lebt, soll er bereits dreimal andere Bewohner mit einem Messer bedroht haben. Das gibt er auch zu.

Der psychiatrische Gutachter bescheinigt dem Angeklagten, voll schuldfähig zu sein. „Eigentlich ist er ein netter Kerl“, so der Sachverständige.

Am Ende verurteilen die Richterinnen und die Richter der 9. Schwurgerichtskammer den 28-Jährigen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu sechseinhalb Jahre Gefängnis. Er muss dem Geschädigten, der den Vorfall erstaunlich gut weggesteckt hat, 7500 Euro Schmerzensgeld bezahlen.

„Das Urteil ist angemessen“, sagt Verteidiger Bernhard Krinn. Deshalb habe sein Mandant und er auch darauf verzichtet, Rechtsmittel einzulegen. Der Staatsanwalt sieht es ebenso.