Bunt, laut und entschlossen demonstrierten die Menschen gegen das Milliardenprojekt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die 500. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 hat rund 4000 Menschen zum Protest vor dem Hauptbahnhof motiviert. Sie hoffen, dass das Milliardenprojekt noch gestoppt wird – und ein Experte macht ihnen Mut.

Stuttgart - Ich fühle mich nicht demoralisiert“, versichert eine ältere Dame und reckt ihr Schild in die Höhe. Darauf prangt eine Flasche mit beengter Gleisführung durch den röhrenförmigen Hals und der Slogan „Weg mit der Flasche unter den Bahnhöfen“ – dem Motto der 500. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21. „Manche Dinge muss man immer wieder sagen. Deshalb bin ich hier“, fügt sie entschlossen hinzu.

Damit ist sie nicht allein. Rund 4 000 Projektgegner haben sich im Zeichen der Bahnhofs-Buddel vor dem Hauptbahnhof versammelt, um ihrem Unmut Luft zu machen und ihre Beharrlichkeit unter Beweis zu stellen. „Wir berauschen uns nicht an unserem Durchhaltevermögen. Wir sind empört, dass dieses Projekt bedenkenlos weitergeführt wird“, erklärt Angelika Linckh vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Sie ist stolz auf den friedlichen Protest, der sich seit zehn Jahren um Aufklärung über den Tiefbahnhof bemüht. „Wir mussten Hausdurchsuchungen und Verleumdungen ertragen“, kritisiert Linckh. Es gebe eine Klage der Bahn wegen Hausfriedensbruchs gegen Aktivisten, die versucht hätten, ein Transparent am Bonatzbau anzubringen. Buh-Rufe und Pfiffe kommentieren die Mitteilung. Bei manchem werden Erinnerungen an den Polizeieinsatz am 30. September 2010, dem „Schwarzen Donnerstag“, wach.

Kritiker werfen der Politik Versagen vor

Im Mittelpunkt der Kundgebung steht jedoch nicht der Rückblick auf die Proteste der Vergangenheit. Stattdessen kommen zwei Verkehrsexperten zu Wort, die das Großprojekt ablehnen. Herrmann Knoflacher, der am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien unterrichtet hat, bezeichnet das Bahnprojekt als „Bosheitsakt gegen die Zukunft“. Hier werde das Geld vergraben, das man dringend benötigen würde, um Nebenstrecken auszubauen. Aufgabe der Bahn sei es nicht, vereinzelt schneller von A nach B zu kommen, sondern die Bürger zu bedienen. Knoflacher sieht bei Stuttgart 21 wissenschaftliche Ignoranz und politisches Versagen am Werk. Um zu unterstreichen, dass Großprojekte selbst kurz vor ihrem Abschluss noch gestoppt werden können, ruft er das österreichische AKW Zwentendorf in Erinnerung, das fertiggestellt wurde, aufgrund des Ergebnisses einer Volksabstimmung aber nie ans Netz ging. Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim kann sich vorstellen, dass Stuttgart 21 zuletzt die Betriebsgenehmigungen verwehrt bleibt. So sei die Frage des Brandschutzes noch offen, sagt er. Daneben bemängelt der 73-Jährige, der Tiefbahnhof sei nicht tauglich für den Deutschlandtakt und widerspricht damit der Darstellung der Bahn. „Dabei hat den die GroKo beschlossen“, murrt jemand. Das Geld für notwendige Aus- und Neubaumaßnahmen fehle allerdings. Monheim sieht es auch in Stuttgart verschwinden, in einem Projekt, dass ihn mit seiner „Wühlmausarchitektur“ auch ästhetisch nicht überzeugt.

Gegner wollen weitermachen

Mit scharfer Zunge rücken Autor und Poetry-Slammer Timo Brunke und Stadtflaneur Joe Bauer dem Tiefbahnhof zu Leibe. Letzterer gibt einen Ausblick auf das, was die Stuttgarter aus seiner Sicht im angekündigten „neuen Bonatzbau“ erwarten könnte. Die „Bonatz-Ruine“ sei mit Ideen wie der Integration eines „Me-and-all-Hotels“ in die historische Bausubstanz auf keinen Fall zu retten. „Ich komme wieder“, ist sich der 43-jährige Marco am Ende der Kundgebung sicher: „Wenn die Bahn ihr Ding schon durchzieht, dann soll sie wenigstens wissen, dass sie kritisch begleitet wird.“