Form und Nutzung des Gebäudes gegenüber dem alten Hauptbahnhof sind offen Foto: ingenhoven architects

Der Hauptbahnhof-Architekt Christoph Ingenhoven hat die Stadt Stuttgart aufgefordert, mit Plänen für den neuen Stadtteil zu beginnen, wenn sie 2021 nicht vor einem Loch stehen wolle. Dann soll der neue Bahnhof fertig sein. Im Rathaus ist man über die Äußerung verschnupft, schließlich habe man mit dem Stararchitekten bereits über Planungen gesprochen.

Stuttgart - Der Auftritt von Stararchitekt Christoph Ingenhoven, Schöpfer des neuen Tiefbahnhofs, findet nicht nur Beifall. Ingenhoven und der Tragwerksplaner Professor Werner Sobek hatten am Dienstag bei einer Veranstaltung der Bahn die Stadt öffentlich aufgefordert, endlich mit der Planung für das neue Stadtquartier hinter dem Tiefbahnhof zu beginnen. Dafür wurde Ingenhoven beklatscht.

Die Rüge erweckte den Eindruck, die Stadtspitze sei in den Ruhemodus gefallen. Auf der Chefetage am Marktplatz kam sie entsprechend schlecht an. „Ich rufe ihn an“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) am Mittwoch im Rathaus auf dem Weg ins Dienstzimmer verärgert. Kuhn und Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) haben sich bereits mehrfach mit Ingenhoven getroffen, um die Planungen für das Umfeld des Bahnhofs, also zum Bespiel die Schillerstraße und das Neubaugebiet hinter dem Tiefbahnhof in Richtung Wolframstraße, zu besprechen. Das nächste Treffen soll im Dezember sein.

„Wir haben ihm gesagt, dass wir nicht vor einem Loch stehen wollen, wenn der Bahnhof fertig ist“, sagte Pätzold am Mittwoch. Mit genau diesem Spruch hatte sich Ingenhoven am Dienstag vor 250 Gästen in der IHK-Zentrale an der Jägerstraße in Szene gesetzt. Es werde Zeit darüber nachzudenken, „was die Stadt der Zukunft ist“, so Ingenhoven weiter. Dem Privileg, die alten Gleisflächen bebauen zu dürfen, müsse man sich „würdig erweisen“, so der Düsseldorfer Architekt vor Publikum.

Bürgermeister: Man muss uns nicht zum Jagen tragen

„Man muss uns nicht zum Jagen tragen“, sagt Pätzold. Ingenhoven habe sich in den Gesprächen mit der Verwaltung erfreut darüber gezeigt, „dass wir uns kümmern“. Dabei gehe es um ein Verkehrskonzept für den Rückbau der Schillerstraße. Dazu müsse die Leistungsfähigkeit des gesamten Innenstadtrings betrachtet werden, sagt Pätzold, der selbst Architekt ist. Geklärt würden auch Schnittstellen zur Bahn, also die Zugänge zum Bahnhof auf der Seite des neuen Stadtquartiers. Kuhn hat bei der jüngsten Bürgerversammlung laut über ein Quartier ohne Autos nachgedacht.

Stadtspitze und Spitzenarchitekt werden sich voraussichtlich auch öfter begegnen, wenn es um die Gestalt des vis-à-vis des Bonatzbaus gelegenen ersten Gebäudes im neuen Stadtteil geht. „Durch den Bahnhofswettbewerb sind wir die, die das erste Baufeld da bebauen werden“, hatte der Düsseldorfer Architekt am Dienstag gesagt. Tatsächlich ist die Bahn laut Stuttgart-21-Projektsprecher Jörg Hamann für die Untergeschosse mit 340 öffentlichen Stellplätzen, Technik und das Erdgeschoss sowie die Zugänge zum Tiefbahnhof zuständig. Ob Ingenhoven den Entwurf für die sieben oberirdischen Geschosse liefern werde, lasse sich aus der Baugenehmigung für den Tiefbahnhof allerdings nicht herauslesen.

Im Realisierungswettbewerb für den Bahnhof 1997 war das Gebäude schon vorgesehen. Die dort gefundene äußere Form ist aber nicht mehr als ein Platzhalter. „Darüber müssen wir Gespräche führen“, so Pätzold. Einstweilen widmet sich die Bahn vor allem dem neuen Bahnhof. Die erste der 28 Kelchstützen im Schlossgarten soll nach Verzögerungen an der Bodenplatte nun bis Mitte 2016 betoniert werden.