Künftig sollen am Flughafen nicht nur S-Bahnen, sondern auch die Fernzüge Station machen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat die im Juli 2016 erteilte Baugenehmigung für den Flughafenabschnitt im Projekt Stuttgart 21 als „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ gestoppt. Die Folgen werden sehr unterschiedlich gesehen.

Stuttgart - Mit seinem Urteil hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs seine im Februar 2017 in zwei Eilverfahren vertretene Rechtsaufassung revidiert. Diese Eilentscheidungen würden entsprechend geändert, teilte das Gericht mit. Damit kann die Bahn AG vorerst nicht bauen.

Die Mannheimer Richter unter Vorsitz von Karsten Harms entsprachen mit dem Urteil zwar zum Teil den Klagen des Naturschutzbundes (Nabu) und der Schutzgemeinschaft Filder. Allerdings sieht das Gericht in den Plänen für die Bahnstrecke entlang der A 8 und für den Flughafenhalt, der sich in 27 Metern Tiefe bei der Messe befinden soll, weder beachtliche Verfahrensfehler noch materielle Mängel. Diese finden sich aber in der Planung des neuen A 8-Anschlusses im Stadtbezirk Plieningen. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) habe es versäumt, die mit der Südumgehung Plieningen verbundenen Vorteile und die nachteiligen Auswirkungen dieses Straßenbaus auf Belange der Umwelt „unabhängig vom Eisenbahnvorhaben gegeneinander abzuwägen“.

Bahn begrüßte am Dienstag die Entscheidung des Gerichts

Weil es für den Eisenbahn- und den Straßenneubau vom Eba eine gemeinsame Baugenehmigung gab, hemmen die Mängel bei der Straßenplanung nun auch den Bahnbau. Die Abwägungsfehler könnten allerdings in einem ergänzenden Verfahren behoben werden, schreiben die Richter. Über die Dauer und die Auswirkung dieses Verfahrens gehen die Meinungen auseinander.

Die Bahn begrüßte am Dienstag die Entscheidung des Gerichts. Man sehe sich bestätigt. Das Urteil habe „keinen Einfluss auf den weiteren Vergabeprozess und den Beginn der Bauarbeiten“, die für den Sommer 2019 geplant seien. Ergänzende Prüfungen für die Straße könnten „in den kommenden Monaten nachgeholt werden“. Bisher hatte die Bahn zur Vorbereitung der eigentlichen Gleisbauarbeiten eine Gasleitung verlegen lassen. Wie schnell das Eba das Verfahren fortführen kann, ist ungewiss. Auf Anfrage nennt die Behörde weder ein Zeitfenster noch den Verfahrensverlauf. Er werde „in den nächsten Monaten nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe durchgeführt“.

Grundsätzliche Bedeutung für den Naturschutz

„Wir sind nicht vollumfänglich zufrieden“, sagt Frank Distel, der stellvertretende Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder. „Entscheidende Mängel“ beim Brandschutz im neuen Tiefhalt seien in Mannheim erörtert, vom Gericht daraus aber keine Konsequenzen gezogen worden. Distel plädiert für einen oberirdischen Halt an der ICE-Strecke beim Bosch-Parkhaus und für den Erhalt der bisherigen Gäubahn-Zuführung durch den Stuttgarter Westen in die City.

Hans-Peter Kleemann, Vorsitzender des Nabu Stuttgart, sieht das Urteil positiv: „Die Bahn kann mit dem Bau nicht beginnen“, sagt er. Er erwarte, dass der Nabu im neuen Verfahren „selbstverständlich gehört werde“. Der Naturschutzbund sei auch in der Lage, das Verfahren wenn nötig in der nächsten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht fortzuführen.

Die Ansage der S-21-Projektgesellschaft, im Sommer den Bau am Flughafen zu starten, halten die Kläger für voreilig. Die neue Abwägung für die Straße und eine noch nicht entschiedene, aber grundsätzlich mögliche Revision in Leipzig könne zu einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren führen, schätzt Nabu-Anwalt Karsten Sommer. Das Urteil habe grundsätzliche Bedeutung für den Naturschutz.

Anwalt: Zeitplan sehr ambitioniert

Tobias Lieber, der als Anwalt die Schutzgemeinschaft vertritt, hält den Zeitplan der Bahn für „sehr ambitioniert“. „An Zeitplänen hat sich die Bahn schon öfter verhoben“, sagt er. Im aktuellen Bauzeitenplan ist für den Flughafenabschnitt bei Stuttgart 21 nur noch ein Puffer von wenigen Monaten vorgesehen. Sollte der Lückenschluss zwischen dem Fildertunnel und der Strecke bei Neuhausen nicht rechtzeitig gelingen, könnte die von der Bahn auf 8,2 Milliarden Euro kalkulierte Infrastruktur nicht Ende 2025 ans Netz gehen. Das hätte auch Auswirkungen auf den in Stuttgart auf dem heutigen Gleisgelände geplanten Wohnungsbau.