Der Durchschlag im ersten von zwei Tunneln ist geglückt, die Feuerbach mit dem Tiefbahnhof verbinden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Tunnelbauer haben beim Projekt Stuttgart 21 rund zwei Drittel geschafft. Am Montag feierten sie einen Durchschlag in Feuerbach. Einige Anwohner haben eher keinen Grund zur Freude.

Stuttgart - Milliarden teurer und viele Jahre später fertig: Die Männer, die die Tunnel für das Bahnprojekt Stuttgart 21 durch die Landeshauptstadt graben, hatten in den letzten Monaten wenig aufbauende Schlagzeilen zu verkraften. Dabei setzen sie in knochenharter Schichtarbeit nur um, was Ingenieure zuvor berechnet hatten. Die waren nicht immer ganz frei von Einflussnahme aus dem Bahnvorstand. Um Kostenprognosen zu halten, wurden Tunnelwände dünner geplant als von den Fachleuten zunächst vorgesehen. Nun werden sie auf dem unterirdischen Weg von Feuerbach in die Stadtmitte wieder einen Meter dick. Und sie werden mit so viel Stahl bewehrt, dass sie gegen den Druck möglicherweise quellenden Anhydritgesteins standhalten sollen.

Am Montag feierten die Mineure für eine der beiden je etwa 2,5 Kilometer langen Röhren von Feuerbach zur Stadtmitte unter dem Kriegsberg den Durchschlag. Man wolle einen für die nächsten 100 Jahre sicheren Tunnel, sagte Olaf Drescher, der neue stellvertretende Geschäftsführer der S-21-Baugesellschaft. Die Strecke sei äußerst anspruchsvoll, so Drescher. Man wolle die Herausforderung meistern, peile im Juli den Durchschlag im Paralleltunnel an, und man habe „keine nennenswerten Hebungen“ zu verzeichnen. Die letzte Äußerung dürften Anwohner, die über Risse in ihrem Haus klagen, bezweifeln.

Zwei Meter pro Tag

„Gemma, gemma, Meter, Meter!“, das sei die Parole der Bergleute, sagte Johann Bachsleitner, der beim Festakt zum Durchschlag als Projektleiter für die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen sprach. In Stuttgart habe die Parole eher „Durchhalten!“ gelautet. „Mancher Arbeitstag war frustrierend“, sagte Bachsleitner. Sein letzter Tunneldurschlag liege achteinhalb Jahre zurück. Es obliege ihm nicht zu prognostizieren, „ob hier in achteinhalb Jahren die ICE rollen“, so der Projektleiter. Dann schriebe man 2026, und das wäre etwas spät. Bahnvorstand Ronald Pofalla hatte dem Aufsichtsrat des Schienenkonzerns zuletzt für die Inbetriebnahme von Tiefbahnhof und Strecke Ende 2025 genannt.

Zwei Meter habe man am Tag geschafft, sagte Claude-Patrick Jeutter, der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Baresel GmbH, und drückte damit die Mühen des Tunnelbaus aus. Es sei „die vielleicht komplizierteste Tunnelbaustelle Deutschlands“, so der Baresel-Chef. Für die Firmen hat die Tunnelbau-Medaille aber noch eine zweite Seite. Der Bau war 2012 nach einer europaweiten Ausschreibung für die Summe von 185 Millionen Euro vergeben und im August 2014 mit der Einrichtung einer Baustelle beim Bahn-Pragtunnel begonnen worden. Um sich gegen Anhydrit zu wappnen, gab es dramatische Nachbesserungen, die bezahlt sein wollen. Die Bahn hat dafür einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag veranschlagt.

Tunnel im Herzen des Projekts

Eine halbe Million Kubikmeter Gestein habe man ausgebrochen, 150 000 Kubikmeter Spritzbeton verbaut, sagte Bahn-Projektleiter Christoph Lienhart. Man stehe jetzt „im Herzen des Projekts“. Eine Herzensangelegenheit ist der Tunnel für Patin Selma Kreutzer. 30 Besuche hat sie den Mineuren abgestattet und dabei viel Staub geschluckt. „Der Durchschlag krönt die harte Arbeit“, sagte sie.