Das heutige Gleisvorfeld vor dem Hauptbahnhof will die Stadt überbauen. Möglich aber, dass darunter noch eine Bahnstation entsteht. Foto: Arnim Kilgus

Stuttgart 21 soll 2026 den fahrplanmäßigen Betrieb aufnehmen. Das Verkehrsministerium sagt, der neue Bahnhof reiche nicht für 100 Prozent mehr Fahrgäste aus.

Stuttgart - Das Verkehrsministerium und die Deutsche Bahn sowie Stadt und Region Stuttgart wollen bis Herbst in einer Arbeitsgruppe erörtern, ob und welche zusätzliche Infrastruktur am neuen Stuttgarter Tiefbahnhof nötig wäre, um 100 Prozent mehr Fahrgäste aufnehmen zu können. Darauf haben sich Ministerialdirektor Uwe Lahl und der DB-Konzernbeauftragte Thorsten Krenz am Dienstag im S-21-Ausschuss des Gemeinderats verständigt. Die Leistungsfähigkeit der neuen Stuttgart-21-Infrastruktur schätzen sie völlig unterschiedlich ein.

Die bundesweite Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 ist das Ergebnis der Klimadebatte. Der Bund will den kurzfristigen Zuwachs. Der Verkehrsbereich trägt in Baden-Württemberg etwa zu einem Drittel zum klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) bei. Sein Ausstoß ist bisher nicht zurückgegangen.

Klar sei, erklärte OB Fritz Kuhn (Grüne), dass Stuttgart 21 rund 30 Prozent mehr Zugverkehr bewältigen könne. Krenz erklärte, im neuen Stuttgarter Knoten könne ohne Weiteres auf jedem Gleis alle fünf Minuten ein Zug fahren. Das wären 96 Ankünfte und Abfahrten. Es ergäben sich „Kapazitätsreserven über den geplanten Deutschland-Takt hinaus“. Das Grundangebot bei diesem Takt solle bei 36,5 Zügen pro Stunde (70 Ankünfte und Abfahrten) liegen.

Jede halbe Stunde eine Verbindung

Der Deutschland-Takt soll im Fern- und Regionalverkehr künftig jede halbe Stunde eine Verbindung mit günstigem Umstieg bringen. Dazu brauche man keinen Ausbau der Zulaufstrecken, so Krenz. Eine Ergänzung mit einem Kopfbahnhof sei „auch für den weiteren Bedarf nicht notwendig“. Das sieht das Land anders. Betrachte man alle Zugarten, so Abteilungsleiter Gerd Hickmann aus dem Verkehrsministerium, sei eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen „mit der geplanten Infrastruktur noch nicht erreichbar“. Man brauche Ergänzungen, denn Regionalzüge würden durch die Ausweitung des Fernverkehrs verdrängt, und vor allem bei der S-Bahn gebe es nur noch ein Potenzial von 30 Prozent.

Das Ministerium von Winfried Hermann (Grüne) schlägt als Lösung vor, vom Norden her (Kornwestheim) zwei zusätzliche Gleise unterirdisch in die Stadt zu führen. Nahe am Tiefbahnhof sollen sie in vier Bahnsteiggleisen enden. Die neue Station könne im Regelverkehr S-Bahnen und Metropolexpresszüge aufnehmen und bei Störungen auf der S-Bahn-Stammstrecke durch einen Anschluss an die Gäubahn die nötige Umleitung schaffen.

CDU lehnt neue Station ab

„Wir würden den Vorschlag nicht machen, wenn wir nicht glauben würden, dass wir ihn brauchen“, sagte Lahl. Zumindest die Option wolle man bereithalten. Kosten und Finanzierung seien unklar. Die Bundesregierung wolle das Klima schützen. Er erwarte, dass dann auch Geld für Infrastruktur bereitgestellt werde.

„Wir wollen kein neues Projekt, es gibt keine Finanzierung“, lehnte Alexander Kotz den Vorschlag für die CDU ab. Auch Martin Körner (SPD) zeigte sich reserviert. Der geplante Wohnungsbau auf dem Gleisgelände dürfe nicht gefährdet werden. Es lägen neue Erkenntnisse vor. Man dürfe den Bahnverkehr trotz Wohnungsbau nicht ausblenden, sagte Jochen Stopper für die Grünen.

S-21-Gegner: Tiefbahnhof zu klein

Stuttgart 21 habe keine Antworten auf die Herausforderungen des Klimaschutzes, der Erhalt des Kopfbahnhofs sei die bessere Lösung, so Hannes Rockenbauch für SÖS/Linke-plus. Es sei klar, dass Stuttgart 21 den Deutschlandtakt-Zielfahrplan 2030 nicht bewältigen könne. Am Rande der Sitzung verteilte er eine Untersuchung des S-21-Kritikers Christoph Engelhardt, der aus dem Zielfahrplan im Tiefbahnhof bei 52 Zügen in der Spitzenstunde an den Bahnsteigen vier Dreifach- und 15 Doppelbelegungen sowie 26 Haltezeiten unter drei und davon 14 unter zwei Minuten herausliest. Der Bahnhof sei überbelegt, so Engelhardt.