So soll das Eingangsgebäude des neuen Flughafenbahnhofs aussehen Foto: DB AG

Der Zeitplan für das Bahnprojekt Stuttgart 21 läuft immer mehr aus dem Ruder. Die Bahn reagiert in ihren Terminplänen mit einer nicht mehr nachvollziehbaren Kürzung der Bauzeiten.

Stuttgart - In spätestens sieben Monaten will die Deutsche Bahn die Baugenehmigung für den Flughafenabschnitt beim Projekt Stuttgart 21 haben. Ein Jahr später, im September 2016, sollen auf den Fildern an allen Ecken Baumaschinen an den Start gehen. Und, je nach Teilstück, in nur dreieinhalb bis knapp vier Jahren sollen 15 Kilometer Neubaustrecke entlang der A 8 samt Tunnel unter der Autobahn, der unterirdische Flughafenbahnhof, der Umbau der S-Bahn-Bestandsstrecke zwischen Rohr und Airport sowie die Rohrer Kurve (neue Gleise durch den Wald) fertig sein.

Vor 18 Monaten hatte die Bahn für die Bauvorbereitung, den Roh- und Oberbau (Gleise) und die Eisenbahntechnische Ausrüstung (Strom, Elektronik) beim Flughafen nicht dreieinhalb bis vier, sondern noch mehr als fünf Jahre veranschlagt. Jetzt sollen die Baufirmen offenbar den Turbo zuschalten.

Ihren ehrgeizigen Zeitplan hat die Bahn in dieser Woche möglichen Auftragnehmern präsentiert. Die Baufirmen sollen sich gedanklich an den Start begeben, so dass die Ausschreibungen ab Oktober dieses Jahres reibungslos laufen. Bei der Vorstellung durch den Stuttgart-21-Projektchef Manfred Leger und Abschnittsleiter Christophe Jacobi gab es eine kleine Einschränkung. Bei allen Daten handele es sich „um vorläufige Annahmen“, schließlich könnten sich „Inhalte und Termine ändern“.

Die kleine Einschränkung zu Inhalten und Terminen wird am Flughafen voraussichtlich, wie an vielen anderen Ecken des Projekts, zum bestimmenden Faktor werden. Erstens verhandeln alle Projektpartner über einen modifizierten Anschluss der Gäubahn an den Flughafen. Käme er, wären alle Pläne reif für die Tonne. Es müsste neu geplant werden.

Zweitens kann die Bahn auch nicht mit einer Genehmigung ihrer derzeitigen Pläne bis September rechnen. Noch fehlt ein neues Gutachten zur Leistungsfähigkeit des Systems. Es muss vom Regierungspräsidium (RP) bewertet werden. Womöglich wird die Behörde eine weitere öffentliche Erörterung ansetzten. Die eigentliche Baufreigabe kann nur das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) erteilen. Bei den komplexen S-21-Teilstücken nahm sich das Eba bisher an die zwei Jahre bis zur Beschlussfassung. Auch, weil die Bahn öfter Unterlagen nachliefern musste.

Bei den Baufirmen macht sich angesichts der mehr als straffen Vorgaben Unmut breit. Zu Zeiten des längst entschwundenen S-21-Chefplaners Hany Azer wurden die Firmen zum Schweigegelübde gezwungen. Der am Mittwoch von Georg Brunnhuber (allerdings nicht in völlig gleicher Funktion) abgelöste Projektsprecher Wolfgang Dietrich verteidigte vergangene Woche nochmals tapfer den Zeitplan. Bei keinem einzigen Bauabschnitt gebe es Vorgänge, die die Inbetriebnahme des Gesamtsystems Ende 2021 in Frage stellten. „Sollte sich das ändern, wird das aktiv kommuniziert“, so Dietrich.

Menschen, die dem Projekt auf Bahnseite und bei Baufirmen ähnlich nahe stehen wie Dietrich, widersprechen den Durchhalteparolen. Inzwischen weiß jeder, sagt einer, „dass Stuttgart 21 nicht bis Ende 2021 fertig werden kann“. Die Firmen sollten zaubern.

Die Gründe für die Misere? „Entscheidungsunfähigkeit“, und zwar auf allen Ebenen der Projektleitung, heißt es. Der abrupte Weggang des früheren Projektchefs Stefan Penn, der auch nach der Leitungs-Übernahme durch Manfred Leger noch für die operative Durchführung verantwortlich war, sei kein Verlust, sagen Firmenvertreter. Penn sei Teil des „Entscheidungsvakuums“ gewesen.

Kurz vor Penn kündigten der DB-Abschnittsleiter für den Tiefbahnhof und der für die Baulogistik. Der stellvertretende Abschnittsleiter Tiefbahnhof übernahm die Logistik. Nachfolger für die Vakanzen sind bis heute nicht benannt.

Für den Tiefbahnhof ist seit dessen Baustart im August 2014 gar kein Tiefbau möglich, eine Genehmigung fehlt. So wurde nur eine flache Grube ausgehoben. Weil der Grundwasserspiegel hoch steht, muss nun sinn-, aber nicht kostenlos Wasser gereinigt und im Kreis gepumpt werden.