Der bisherige Halt am Flughafen für die S-Bahn soll um einen Halt für die Züge der Gäubahn ergänzt werden. Die Genehmigung dafür steht aus. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Gäubahnzüge zum Flughafen Stuttgart sollen über S-Bahn-Gleise rollen. Fachleute aus der zuständigen Genehmigungsbehörde und dem Verkehrsministerium lehnen das vehement ab.

Stuttgart - Ende 2025 soll Stuttgart 21 in Betrieb gehen. Gäubahnzüge werden zumindest vorerst nicht in die Infrastruktur einfädeln können, denn die Planung ist in Verzug. Damit die Züge den Airport und über diesen den Tiefbahnhof erreichen können, sollen sie die S-Bahn-Gleise nach Echterdingen nutzen. Das hat das Bundesverkehrsministerium entschieden und eine vorherige Befristung der Erlaubnis zurückgenommen. Die Schutzgemeinschaft Filder klagt grundsätzlich gegen den Anschluss.

Die Bahn AG versucht seit 17 Jahren, für die ausschließlich zum Betrieb einer Schnellbahn genehmigten Strecke zwischen Stuttgart-Rohr und Echterdingen eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Das Problem dabei ist der geringe und ausschließlich für die S-Bahn-Züge genehmigte Gleisabstand. Er misst, auch in den Tunneln, von Gleismitte zu Gleismitte 3,80 Meter. Vier Meter wären für den Regional- und Fernverkehr mindestens nötig.

Fachleute des Eba entscheiden

Über die Genehmigungsfähigkeit von Bahn-Infrastruktur in Deutschland entscheiden die Fachleute des Eisenbahn-Bundesamtes (Eba). Der Fall der Gäubahn zum Flughafen aber beschäftigt seit 2004 auch das Bundesverkehrsministerium (BMV). Dort, das belegen Dokumente aus dem Eba und der Fachebene des Ministeriums, wurde der Verkehrskonzern in Sachen Stuttgart 21 mehrfach vorstellig – bis hinauf zum Vorstandsvorsitzenden.

Mit seiner Meinung über den Mischverkehr auf der engen Strecke hielt das Ministerium nicht hinterm Berg. In einem internen Vermerk von Januar 2005 heißt es: „Die DB Netz AG lässt grundlegende technische Rahmenvorschriften unberücksichtigt.“ Von einer „Primitivlösung“ ist die Rede, durch „einfallsloses Unterschreiten von notwendigen Mindeststandards“ könnten keine „zukunftssicheren Infrastrukturen an eisenbahnbetrieblichen Brennpunkten“ erreicht werden. Die Lösung sei wohl „von der Motivation dominiert, die Kosten für das Gesamtprojekt schön zu rechnen“. Damit lag das Ministerium nicht falsch. Der Eba-Präsident teilte ihm Ende 2006 mit, dass die Bahn Alternativen ablehne. „Sie begründet dies mit erheblichen finanziellen Mehrbelastungen.“ Drei Jahre später wurde der S-21-Finanzierungsvertrag mit Kosten von 4,5 Milliarden Euro geschlossen. Kosten heute: 8,2 Milliarden.

Anwälte wurden für die Bahn fündig

Der Ausnahmeantrag wurde schließlich mit deutlich weniger harschen Worten abgelehnt. Die Bahn reagierte pikiert und ging einige Jahre auf Tauchstation. Dann ergriff Ende 2007 Bahnchef Hartmut Mehdorn die Initiative. Der robust auftretende Vorstandsboss wandte sich offenbar direkt an den Verkehrsminister, der damals Wolfgang Tiefensee (SPD) hieß.

Ein als vertraulich eingestufter Vermerk fasst zusammen, dass „erneute Interventionen“ nun zur Ausnahmegenehmigung führen sollten. Doch die Arbeitsebene im Ministerium sah einen problematischen Präzedenzfall und die Sicherheit der Reisenden gefährdet. Sie leistete hinhaltenden Widerstand. Das Verdrängen gesetzlicher Infrastrukturstandards sei „unverantwortbar“. Im Juli 2010 wendete sich das Blatt. Der Minister hatte gewechselt. Peter Ramsauer (CSU) erteilte die Ausnahmegenehmigung mit Auflagen und befristete sie bis 2035.

Am 18. Juni 2018 kam es überraschend zur Entfristung der Ausnahme. Warum? Bahn-Anwälte hatten festgestellt, dass die Befristung auf wenige Jahre zum K.o.-Kriterium werden könnte. Man könne die Planung nicht mehr rechtfertigten. Die findigen Anwälte schlugen dem Ministerium stattdessen einen Widerrufsvorbehalt vor. Der hätte „Charme“. Das BMV „könnte ja so argumentieren, dass dieser die Interessen des Ministeriums wahrt“. Am 19. September 2018 stellte die DB den förmlichen Antrag, das Ministerium von Andreas Scheuer (CSU) übernahm ihn, laut Schutzgemeinschaft „weitgehend wortgleich“.