Man sieht sich wegen der Kosten von Stuttgart 21 wohl bald vor Gericht: Bahn-Vorstand Volker Kefer (rechts) und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Foto: dpa

Der Bahn geht für ihr Projekt Stuttgart 21 absehbar das Geld aus. Weil das Land eine weitere Mitfinanzierung verweigert, muss Bahn-Chef Rüdiger Grube es verklagen.

Stuttgart - ür das Projekt Stuttgart 21 wird an vielen Ecken der Stadt gearbeitet. Die Bahn hat Aufträge für 3,3 Milliarden Euro vergeben. Damit ist die 2009 im Finanzierungsvertrag vereinbarte Bausumme von 3,076 Milliarden gebunden. 2019 werden auch die 1,45 Milliarden Euro aus dem Risikopuffer aufgebraucht sein. Dann muss Bahn-Chef Rüdiger Grube das Land auf weitere Zahlungen verklagen. Die Baustelle wird für die neue Regierung zum Milliarden-Risiko.

Die Bahn hofft, dass weiteres Geld fließt. „Wir werden Gespräche mit der neuen Landesregierung führen“, sagt ein Projektsprecher. Man beschäftige sich „derzeit nicht mit der Frage, vor welchem Gericht möglicherweise geklagt werden könnte“.

Der Geldbedarf ist enorm

Der Geldbedarf für den neuen Bahnhof und die Tunnel ist enorm. Mit den fixen Jahresraten, die die Bahn und ihre Partner für Stuttgart 21 bereitstellen, können die laufenden Arbeiten nicht bezahlt werden. Der Schienenkonzern hat deshalb schon 2016 in den Risikotopf gegriffen. In dem liegen 1,45 Milliarden Euro von Bahn, Land, Stadt und Flughafen. Die Anteile am Risikobudget sind ungleich verteilt. Das Land, das auch Stadt, Region und Flughafen Stuttgart vertritt, haftet für 940 Millionen Euro, also 64,8 Prozent des Budgets. Außen vor ist der Verband Region Stuttgart. Er trägt kein Risiko. Verband und Stadt Stuttgart geben 2017 die letzte Regelbuchung in Auftrag. Der Flughafen zahlt bis 2018, das Land 2019 noch 8,3 Millionen.

Bahn-Aufsichtsrat gab Vorschuss

Alle Partner, die sich im S-21-Finanzierungsvertrag 2009 verpflichtet haben, „das Projekt zu fördern“, bereiten sich auf die Ebbe in der Kasse vor. Wenn die Kostensteigerungen die abgesicherten 1,45 Milliarden überschreiten, nehmen Bahn AG und Land „Gespräche auf“, heißt es im Paragraf 5 knapp. Der Passus wurde 2013 wichtig. Damals wurde deutlich, dass die insgesamt 4,526 Milliarden nicht reichen. Der Bahn-Aufsichtsrat genehmigte Grube und dessen Stellvertreter Volker Kefer weitere zwei Milliarden Euro, quasi als Vorschuss. Grube und Kefer müssten „die jeweils einklagbaren Ansprüche unverzüglich gerichtlich geltend machen“.

Das Risiko liegt aus Sicht von Projektgegnern und Bundesrechnungshof inzwischen nicht mehr bei zwei Milliarden Euro. Sie sehen Gesamtbaukosten von zehn Milliarden Euro. Damit müssten Bahn und Land über die Zusatzzahlung von 5,474 Milliarden Euro verhandeln.

Land stützt sich auch auf „externe juristisch Beratung“

Seit der Wahl habe es keine Gespräche zum Thema gegeben, heißt es beim Land. Die Bahn habe „keinen Rechtsanspruch auf Gewährung weiterer Finanzierungsbeiträge“. Das Land stütze sich „sowohl auf interne als auch auf externe juristische Beratung“, Einzelheiten nenne man nicht, sagt ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Außerdem erwarte man, dass sich Bundesregierung und DB-Aufsichtsrat mit dem Bericht des Rechnungshofes befassten.

Würde ein Gericht die gleiche Kostenverteilung wie bisher ansetzen, müssten Land, Stadt und Flughafen bei Baukosten von zehn noch 3,547 Milliarden Euro beisteuern. Das würde den Haushalt gefährden. Zum Vergleich: Die Koalition ringt um eine Einsparsumme in den Ministerien in Höhe von 370 Millionen Euro für 2017.

Flughafen und Stadt sehen sich außen vor

Flughafen und Stadt sehen sich bei der Geldfrage unbeteiligt. „Unabhängig von der Entwicklung der Gesamtkosten wird es keine weiteren Zahlungen geben“, sagt ein Airport-Sprecher. „Die Sprechklausel verpflichtet ausschließlich das Land zu Gesprächen“, heißt es im Stuttgarter Rathaus. Im Zweifelsfall würde die Verwaltung einen Bürgerentscheid über die weitere Mitfinanzierung prüfen, sagt ein Sprecher von OB Fritz Kuhn (Grüne). – Allerdings könnte dieser Entscheid kein Gerichtsurteil aushebeln.

Mitarbeiter von Firmen und der Stadt scherzten vor Jahren, bei Besprechungen säßen auf Bahnseite mehr Juristen als Techniker am Tisch. Vielleicht war das aber gar kein Scherz. „Ich weiß gar nicht, wie viele Juristen ihr eingestellt habt“, sagte OB Fritz Kuhn bei der jüngsten Sitzung des S-21-Lenkungskreises zu Volker Kefer. Kuhn selbst will sein Referat mit einem Anwalt ausstatten, der sich ausschließlich um S 21 kümmert. Das sei „ganz selbstverständlich“ und „keine Misstrauenserklärung“. Kuhn weiter: „Alles andere wäre fahrlässig.“ Kefer lobte die Entscheidung. Man sehe den Juristen „nicht als Bedrohung, sondern als Schaffung von qualifizierten Ansprechpartnern“. Natürlich sei bei S 21 „auch juristischer Sachverstand gefordert“.