Was ist zuerst zu Ende: das Geld oder der Monat? Foto: dpa/Friso Gentsch

Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland zahlen pro Semester 1500 Euro Studiengebühren. Ein Studentenjob reicht dafür oft nicht aus. Zumal ja Mietkosten dazukommen. Corona hat die Lage noch schwieriger gemacht. Eine junge Frau erzählt.

Vaihingen - Es ist schon schwierig, morgens aufzustehen und zu denken: Habe ich jetzt genug Geld auf dem Konto?“, erzählt Anastasiia Podzigun. Die 27-Jährige stammt aus der Ukraine und studiert an der Hochschule der Medien (HdM) Online-Medienmanagement im vierten Semester. Als Studentin aus dem Nicht-EU-Ausland muss sie pro Semester 1500 Euro Studiengebühren zahlen. „Es ist nicht so, dass ich nicht arbeite“, sagt Podzigun, „ich arbeite richtig hart und habe eben trotzdem kein Geld“.

Mit einem Semesterticket für die Bahn und den Kosten, die auch deutsche Studierende an der HdM tragen, komme sie am Ende auf rund 1900 Euro pro Semester. „Eigentlich müsste ich jeden Monat 300 Euro übrig haben, die ich dafür auf die Seite legen kann“, sagt Podzigun.

Die meisten kämen nicht aus reichen Familien

Sie möchte für alle ausländischen Studierenden sprechen, wenn sie den großen finanziellen Druck beschreibt, der auf jedem Einzelnen von ihnen liegt. „Die meisten sprechen gar nicht darüber“, sagt Anastasiia Podzigun, „man schämt sich auch ein bisschen“. Sie erzählt, dass viele Deutsche wohl glaubten, ausländische Studierende kämen aus reichen Familien, die sich das Studium für ihr Kind im Ausland leisten können. „Ich kenne niemandem, bei dem das so ist“, sagt Podzigun, „wir arbeiten alle hart“. Sie selbst hat auch in vorlesungsfreien Zeiten keine Möglichkeit, sich auszuruhen. „Da muss man dann schon fürs nächste Semester wieder sammeln“, sagt sie, „wir leben eigentlich von Beitrag zu Beitrag“.

In der Ukraine hat Anastasiia Podzigun bereits ihren Bachelor in englischer Literatur gemacht, ihr Nebenfach war Deutsch. Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, ist sie vor knapp sechs Jahren nach Deutschland gekommen, hat ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht und ist schließlich an die HdM gegangen. „Ich bin schon eine Stuttgarterin geworden“, sagt Podzigun und grinst, „ich kenne mich richtig gut aus.“ Sie lebe sehr gerne hier und habe Freunde gefunden.

Wenn sie einen Wunsch frei hätte, so unrealistisch er auch sein möge, würde sie in Kiew eine zweite HdM gründen. „Ich liebe die HdM“, sagt sie, „es ist schon wie ein kleines Zuhause hier“. Sie will sich auf jeden Fall bis zum Ende des Studiums durchkämpfen – anders als einige andere, die sie kennt, die wegen der hohen Gebühren ihr Studium hätten abbrechen müssen, wie sie erzählt. „Mir ist es wichtig, mit einem deutschen Abschluss zurück nach Hause zu gehen“, sagt Podzigun, „und meine Familie möchte auch, dass ich das Studium hier mache, damit ich später Sicherheit habe“.

Die digitale Lehre sei zeitaufweniger

Die Studiengebühren sind nicht die einzigen Kosten für Studierende. Anastasiia Podzigun zahlt für ihr kleines WG-Zimmer im Stuttgarter Süden 300 Euro Miete. Mit Versicherungen und Essen komme sie monatlich auf etwa 520 Euro. Ihren Job hat sie durch die Corona-Pandemie nicht verloren. „Zum Glück habe ich die Möglichkeit, weiter zu arbeiten.“ Als Werkstudentin darf sie 20 Stunden pro Woche arbeiten, neben dem Studium schafft sie aber maximal 15. Dieses Semester sei es besonders schwierig, da die digitale Lehre sogar mehr Zeit in Anspruch nehme als üblich. „Dadurch, dass alles online ist, kann ich nicht sagen, dass ich an diesem Tag nicht an der HdM bin und mich deshalb nicht treffen kann“, sagt Podzigun. Ihre Familie kann sie seit der Corona-Krise nicht mehr um finanzielle Hilfe bitten, da diese nun auch weniger habe. „Manchmal hat man die 1500 Euro fast zusammen und kann die letzten 100 noch von der Familie zusammenkratzen“, sagt Podzigun. Das gehe zurzeit einfach nicht. „Es wäre schön, wenn wir im nächsten Semester ein bisschen weniger zahlen müssten, denn es geht vielen so“, sagt sie.

Anastasiia Podzigun selbst muss sich um das kommende Semester weniger Sorgen machen. Sie bekommt 500 Euro aus der privaten Initiative ihres Studiendekans geschenkt. Der Professor Udo Mildenberger hat den Hilfsfonds „Butter und Brot – für Studis in Not“ ins Leben gerufen, der dank Spenden mittlerweile rund 10 000 Euro umfasst. „Ich wollte mich zuerst gar nicht dafür bewerben“, sagt Podzigun, „ich habe ja meinen Job nicht verloren – aber ich habe trotzdem kein Geld“. Letztlich hat sie dem Professor aber doch ihre Situation geschildert und die Summe bekommen. „Jetzt kann ich wieder schlafen“, sagt sie.