Der öffentliche Dienst ist der Gunst von Studenten und Schülern gestiegen. Foto: dpa

Einst wollte die Mehrheit der Schüler und Studenten in die Industrie. Jetzt ist der öffentliche Dienst am attraktivsten. Die Automobilindustrie büßte laut zweier Umfragen massiv an Popularität ein.

Stuttgart - Schlechte Nachrichten für die Industrie im Land: Die Studenten in Deutschland bevorzugen bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes immer häufiger den öffentlichen Dienst, als dass sie in die freie Wirtschaft gehen. 41 Prozent halten einen Arbeitsplatz im Amt für am attraktivsten, wie eine Befragung des Beratungsunternehmens EY unter 2000 Studenten ergab. Bei der Erhebung zwei Jahre zuvor hatten diese Aussage nur 32 Prozent der Befragten getroffen. Auf den Plätzen zwei und drei der beliebtesten Branchen folgen Kultureinrichtungen mit 22 Prozent und die Wissenschaft mit 20 Prozent, die damit ähnlich attraktiv gelten wie in den Vorjahren. Dagegen stürzte die Automobilindustrie in der Wertschätzung ab. Nur noch acht Prozent der Studenten suchen dort ihren Wunscharbeitsplatz, 2016 waren es noch 22 Prozent gewesen.

Ein Grund ist der Studie zufolge das gestiegene Sicherheitsbedürfnis, das mehr ins Gewicht fällt als Gehalt, flache Hierarchien oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier seien die Studenten durch die Umwälzung der Industrie infolge der Digitalisierung verunsichert, betont Studienleiter Oliver Simon. „Der öffentliche Dienst wirkt da wie ein Hort der Beständigkeit inmitten des Umbruchs.“ Bei der Autoindustrie kämen derzeit mehrere Faktoren zusammen: „Möglicherweise hat die Dieselkrise auch einige potenzielle Bewerber abgeschreckt, außerdem hat das Image der Branche stark gelitten. Gravierender dürfte allerdings sein, dass Ingenieure inzwischen vermehrt in die IT streben.“

Schüler wollen lieber Polizist werden als beim Autobauer zu arbeiten

Bei Ingenieuren hat die Autoindustrie ihren Spitzenplatz in kürzester Zeit verloren: Wollten 58 Prozent der angehenden Ingenieure vor zwei Jahren noch zu Daimler, Porsche & Co., sind es jetzt nur noch 19 Prozent. Die Mehrheit strebt jetzt einen Job in der IT- und Softwarebranche an. Diese würden in nahezu allen Branchen gesucht, weil mittlerweile alles vernetzt sei, betont Simon, der bei EY auch die Personalabteilungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz leitet. Sorge bereite ihm, dass die Industrie trotz besserer Bezahlung offenbar nicht attraktiv genug sei. Außerdem suchten auch Studenten mit exzellenten Abschlüssen lieber eine Stelle im öffentlichen Dienst. „Dabei sollten gerade die klügsten Köpfe neue Technologien in die Unternehmen bringen und sie auf diese Weise zukunftssicher machen. Die Risikobereitschaft der Studenten geht zurück, obwohl die Firmen dringend Fachkräfte suchen und der Arbeitsmarkt boomt.“

Eine Umfrage des Berliner Markforschungsinstituts Trendence unter 20 000 Schülern in Deutschland belegt den Wandel ebenfalls. Auch hier baut der öffentliche Dienst seinen Vorsprung als beliebteste Branche für den Berufseinstieg aus. Demnach suchen 26 Prozent aller Schüler in diesem Jahr ihren ersten Job im öffentlichen Dienst, vor zwei Jahren waren es noch 17 Prozent gewesen. Dabei führt die Polizei die Berufswunschliste an. Die Automobilhersteller verlieren auch bei den Schülern weiter an Attraktivität. Nur noch jeden fünften statt wie zuletzt jeden vierten zieht es in die Branche, die einst als sichere Bank galt. Für die Teenager spielt die Sicherheit im öffentlichen Dienst ebenfalls die wichtigste Rolle – allerdings oft auch unter dem Einfluss der Eltern, wie Trendence-Geschäftsführer Holger Koch betont.