Umweltministerin Barbara Hendricks sieht bei den Bürgern viel Bereitschaft, zugunsten von Umwelt- und Klimaschutz ihr Verhalten zu ändern. Foto: dpa

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist froh über die Bereitschaft der Deutschen, auf das Auto zu verzichten. Die gibt es – zumindest theoretisch. Allerdings hat die Studie, auf die die Ministerin sich stützt, einen hohen Schummelfaktor.

Berlin - Wer angenommen hat, dass die Flüchtlingskrise alle anderen Themen aus dem Bewusstsein der Bürger verdrängt, den belehrt die aktuelle Umweltbewusstseinsstudie eines Besseren. Tatsächlich hat sich der Umwelt- und Klimaschutz auf dem dritten Platz behauptet. 55 Prozent der Befragten platzierten Zuwanderung und Migration als wichtigstes Problemfeld ganz vorne; bei der Befragung 2014 sahen das nur 18 Prozent so. An zweiter Stelle folgt der Themenkomplex Kriminalität, Frieden und Sicherheit, den 47 Prozent (2014: 20 Prozent) als vordringlichstes Problemfeld nannten. Doch der Umwelt- und Klimaschutz ist in den vergangenen zwei Jahren nicht unter die Räder gekommen, sondern hat sich stabil gehalten: 21 Prozent (2014: 19 Prozent) sehen das Thema als wichtigste aktuelle Frage.

Sozialistische Zustimmungswerte dokumentieren ökologisch korrektes Bewusstsein

Dass sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) durch diese Werte zu einer ambitionierten Politik in ihrem Ressort ermuntert fühlt, ist zunächst naheliegend. Immerhin sehen jeweils mehr als 90 Prozent der Befragten Plastikmüll in den Meeren, die Abholzung von Wäldern, das Artensterben und den Klimaschutz als bedrohliches Umweltrisiko an. Ähnlich viele bekennen sich dazu, dass jeder einzelne Verantwortung übernehmen muss, damit Kinder und Enkel auch noch eine intakte Umwelt vorfinden und dass umweltfreundliche Technologien entwickelt und der Umstieg auf Ökoenergie vorangetrieben werden müssen.

Solche Traumwerte scheinen die Ministerin ermuntert zu haben, kritische Rückfragen, ob diese Ergebnisse denn so belastbar sind, zu unterdrücken. Vor allem beim Thema Auto und Mobilität hat Barbara Hendricks die rosarote – oder lindgrüne – Ökobrille aufgesetzt. Jedenfalls ist es eine gewagte Interpretation, die die Ministerin ins Zentrum ihrer Mitteilung stellt: Die Mehrheit der Deutschen wolle nicht mehr so stark auf das Auto angewiesen sein, erklärte Hendricks bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Die große Mehrheit will weniger Autos in ihrer Kommune

Zwar sei das Auto nach wie vor das beliebtste Fortbewegungsmittel, das mehr als siebzig Prozent der Befragten entweder täglich oder mehrmals wöchentlich nutze. Dabei könne sich aber eine große Mehrheit der Befragten vorstellen, unter Umständen mehr zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Je nach Größe des Wohnorts könnten sich zwischen 46 und 61 Prozent der Autofahrer vorstellen, auf Busse und Bahnen umzusteigen. 91 Prozent der Befragten finden zudem, weniger Autos wären ein Beitrag zum besseren Leben in Städten und Gemeinde; 79 Prozent halten weniger Autos auch in ihrer eigenen Kommune für wünschenswert.

Allerdings haben die Befragten auch deutlich gemacht, was bei der ministeriellen Interpretation nur im Kleingedruckten vorkommt: Dass die Bereitschaft zum Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel konditioniert ist. „Zentrale Bedingung ist, dass Alltagswege etwa zum Einkauf, zur Arbeit oder zum Arztbesuch kürzer sind.“ Die meisten haben auf diese Faktoren aber keinen Einfluss. Schon daraus lässt sich ableiten, dass die von der Ministerin so gelobte Bereitschaft zum Autoverzicht eher theoretischer denn praktischer Natur ist. Darüber hinaus ist diese Frage erstmals gestellt worden; wie sich die Umstiegsbereitschaft entwickelt hat, lässt sich also nicht sagen.

Wer will schon bei einer Umfrage als Öko-Schwein dastehen?

Hinzu kommt, dass Umfrageteilnehmer nicht selten ein wenig schummeln, sodass ihre Angaben zu den vermeintlichen Erwartungen und Normen passen. Es gibt ein starkes Indiz, dass der Schummelfaktor bei der Umweltbewusstseinsstudie eher höher anzusetzen ist: Trotz korrektem Öko-Bewusstsein tun nach Einschätzung der Befragten nur sechs Prozent der Bürger genug für Umwelt- und Klimaschutz.