Das unbemannte Flugtaxi bei seinem Erstlingsflug in Stuttgart. Foto: picture alliance/dpa/Christoph Schmidt

Die Stuttgarter Hochschule für Technik befragte 1200 Menschen, die den ersten Start eines Flugtaxis in Stuttgart beobachtet haben. Nur wenige haben Angst vor dem Fliegen – und wenn, dann bereitet ihnen vor allem das Fehlen eines Piloten Unbehagen.

Stuttgart - Wie geht es weiter mit dem Flugtaxi?

Herr Planing, Sie haben für eine wissenschaftliche Studie 1200 Leute befragt, die sich im September in Stuttgart den ersten öffentlichen Flug des Volocopter-Flugtaxis in Europa angeschaut haben. Was überwog bei den Menschen: Zustimmung oder Skepsis?

Ich war sehr überrascht, wie viele Menschen diese Technologie befürworten – und das in einer Stadt wie Stuttgart, die ja für ihre Protestkultur weithin bekannt ist. Der weitaus größte Teil der Menschen, die wir befragt haben, hält Flugtaxis für sinnvoll. Sie schreiben ihnen nicht nur einen gesellschaftlichen Nutzen zu, sondern können sich auch vorstellen, diese selbst zu nutzen.

Aber kommen zu so einer Veranstaltung, auf der Sie die Menschen befragt haben, nicht vor allem Leute, die dieser Technologie ohnehin aufgeschlossen gegenüberstehen?

Die Auswertung der Fragebögen hat gezeigt, dass wir ein sehr breites gesellschaftliches Spektrum erfasst haben. Die Menschen, die geantwortet haben, gehören alle Einkommensklassen und Altersschichten an, auch Geschlechter sind recht gleichgewichtig vertreten. Und die Veranstaltung sprach auch nicht nur Flugtaxi-Fans an, weil der Flug ja ein Teil des Fests mit einem breiten Familienprogramm war. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Erkenntnisse auf einer wirklich breiten Basis stehen.

Wie viele Menschen können sich ernsthaft vorstellen, ein solches Verkehrsmittel zu benutzen?

Zwei Drittel der Befragten halten es für wahrscheinlich, dieses Verkehrsmittel zu nutzen, viele können sich sogar vorstellen, dass Flugtaxis einmal zum Alltag gehören werden. Erstaunlich auch, dass sich die hohe Akzeptanz quer durch die Altersgruppen verteilt. Sie ist bei den Menschen über 50 nur geringfügig kleiner als bei den jüngeren.

Was versprechen sich die Menschen von Flugtaxis?

Wir haben die Leute gebeten, sich eine 15-minütige Reise vom Stuttgarter Flughafen in die Innenstadt in einem Flugtaxi vorzustellen, das elektrisch und ohne Pilot betrieben wird. Mehr als 80 Prozent finden, das würde ihnen Spaß machen; fast ebenso viele würden eine solche Möglichkeit wegen der Zeitersparnis begrüßen. Die Vorstellung, Staus gewissermaßen unter sich zu lassen, erscheint offenbar gerade in Stuttgart vielen verlockend.

Haben die Menschen keine Angst vor diesem unbekannten Verkehrsmittel?

Dort, wo es Skepsis gibt, hat sie weniger mit der Angst vor dem Fliegen zu tun als vor der Tatsache, dass diese imaginäre Reise ohne Pilot stattfindet. Sich in ein solches Gerät zu setzen, das von selbst fliegt, bereitet den Menschen noch am ehesten Unbehagen. Doch dieses Unbehagen ist weit weniger ausgeprägt als die Gründe, aus denen die Menschen diese Technologie begrüßen.

Warum haben Sie die Umfrage aus Anlass dieses Erstflugs vorgenommen?

Bei der Erforschung der Akzeptanz von Technologien, die es noch gar nicht gibt, stehen wir immer wieder vor dem gleichen Problem: Die Menschen, die wir befragen, wissen meist gar nicht, worum es geht und können sich auch nicht wirklich etwas darunter vorstellen. Das lässt dann nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, wie sie diese Technologien sehen, wenn sie tatsächlich Realität sind. Diese Studie bot nun europaweit die erste und bisher einzige Gelegenheit, Menschen zu befragen, die diese Technologie gerade unmittelbar erleben. Diese Chance haben wir intensiv genutzt.

Wie haben die Menschen diesen unbemannten Erstflug erlebt?

Wir haben einige Besucher vor dem Flug befragt und ihnen ein Armband angelegt, das sie nicht entfernen oder weitergeben konnten. Nach dem Flug haben wir diese Leute erneut befragt und konnten dann beobachten, wie die vor dem Flug geäußerte Einstellung zu dem passt, was die Menschen dann gesehen haben.

Wie sah das Ergebnis aus?

Die Erwartungen der Menschen haben dem, was sie dann tatsächlich gesehen haben, nahezu komplett entsprochen. Die positive Bewertung ist geblieben. Insbesondere bei der Geräuschentwicklung waren die Menschen sogar positiv überrascht. Und sie halten dieses Verkehrsmittel nach dem Flug für sicherer als davor.

Als vor elf Jahren das iPhone auf den Markt kam, dachten die meisten Kunden nicht, dass sie so etwas brauchen würden. Heute hat fast jeder ein Smartphone. Was muss geschehen, damit die Menschen eine neue Technologie nicht nur gut finden, sondern auch nutzen?

Gerade in Deutschland standen viele Menschen dem iPhone eher skeptisch gegenüber. Zum Durchbruch haben ihm nicht zuletzt soziale Normen verholfen. Die Menschen bemerkten, dass immer mehr Nachbarn, Freunde und Kollegen ein solches Gerät besaßen; zudem sahen sie sich zunehmend der Erwartung ihres sozialen Umfelds ausgesetzt, sich ebenfalls ein solches Gerät zuzulegen, um zum Beispiel WhatsApp-Nachrichten empfangen zu können. Wenn Flugtaxis einmal auf den Markt kommen, können soziale Normen und Erwartungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Je besser der öffentliche Nahverkehr, desto größer die Erwartungshaltung der anderen, ihn auch zu nutzen.

Wie hoch ist denn die Zahlungsbereitschaft für ein solches Verkehrsmittel?

Erstaunlich hoch – der optimale Preiskorridor, bei dem sich die Einschätzungen „teuer“ und „billig“ in etwa die Waage halten, liegt bei 60 bis 100 Euro. Oft starten neue Technologien ja im oberen Preissegment und werden dann für immer mehr Menschen erschwinglich. So war es bei den Smartphones, und so könnte auch bei den Flugtaxis kommen.

Nicht mit allen Technologien zur Mobilität können sich die Menschen anfreunden. Täuscht der Eindruck, dass die Idee des selbstfahrenden Autos nach wie vor auf große Vorbehalte stößt?

Die Ängste gegenüber dem autonomen Fahren waren von Anfang an groß, und das sind sie auch geblieben. Beim Auto hatte der Mensch immer die Kontrolle, und die will er nicht einfach abgeben oder verlieren.

Was hat der iPhone-Erfinder Steve Jobs anders gemacht als die Autoindustrie?

Beide brachten bahnbrechende neue Technologien auf dem Markt, von denen die Menschen nicht einmal ahnten, dass es sie jemals geben könnte. Heute will kaum noch jemand das Smartphone missen. Die Autohersteller sind dagegen sehr ingenieurgetrieben vorgegangen. Sie ließen ihre Entwickler die technischen Möglichkeiten ausreizen, haben aber die Frage vernachlässigt, welches Problem ihrer Kunden sie damit eigentlich lösen wollten. Steve Jobs hat seine neue Technologie konsequent vom Kunden her gedacht. Das hat sich ausgezahlt.

Den Deutschen wird immer wieder Technikskepsis nachgesagt. Was macht den Unterschied zwischen Technologien, die sie akzeptieren und solchen, die sie ablehnen?

Wenn neue Technologien sie nicht einschränken, sondern zusätzliche Möglichkeiten erschließen, steigt die Offenheit der Menschen. Skeptisch werden sie, wenn eine neue Technologie wie das autonome Fahren ihnen etwas wegzunehmen droht. Auch mehr und sauberere Busse finden die Leute gut – solange dafür keine Fahrspur gesperrt wird. Das Flugtaxi erweitert die Möglichkeiten, ohne jemanden einzuschränken. Im Gegensatz zu Flugzeugen braucht es zum Starten und Landen nicht einmal viel Platz, den man irgendwem wegnehmen müsste. Das ist für die Akzeptanz sehr hilfreich.