Nimmt die unklare Haltung des Nabu auf seine Kappe: der Landesvorsitzende Johannes Enssle. Foto: dpa

Der Nabu-Landesverband beklagt einerseits Umweltgefahren, die von einer Biogasanlage in Bad Friedrichshall ausgehen. Andererseits wirbt er mit dem Landwirt, der sie betreibt, für alternative Energiepflanzen. Wie passt das zusammen?

Bad Friedrichshall - Im Umgang mit einer strittigen Biogasanlage in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn) zeigt der Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg eine gewisse Ambivalenz. Erst Mitte des vergangenen Jahres prangerte der Nabu-Landesverband in einem Schreiben an den Stuttgarter Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer (Grüne) bei der Anlage offene Fragen zu Gewässer- und Bodenschutz sowie erhebliche Mängel bei Natur- und Artenschutz an. Jetzt warb er beim Start des Nabu-Projekts „Biodiversität für Biogasanlagen“, bei dem eine Wildpflanzenmischung als Alternative zum Anbau von Biogas-Mais erprobt wird, ausgerechnet mit dem Landwirt, auf dessen Hof die Anlage steht und der sie betreibt. Wie passt das zusammen?

„Das ist unglücklich gelaufen“, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle unserer Zeitung. Für die einzelnen Vorgänge seien zwei unterschiedliche Fachbereiche zuständig gewesen. Inhaltlich habe das eine mit dem anderen auch nichts zu tun. Aber: „Es wäre natürlich geschickter gewesen, wir hätten diese Biogasanlage nicht in das Projekt hineingenommen“, räumte Enssle ein. Dass es trotzdem so gekommen sei, nehme er auf seine Kappe.

Die betreffende Anlage beschäftigt die Behörden seit Jahren

Die Biogasanlage am sogenannten Riedweg ist seit Jahren umstritten. Wie Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen, belegen, wurde sie größer gebaut als sie von der Stadt Bad Friedrichshall baurechtlich genehmigt worden war. Trotzdem ging die Anlage im Juni 2013 in Betrieb. Im Jahr 2014 überschritt sie denn auch tatsächlich die jährlich erlaubte Biogasmenge von 2,3 Millionen Normkubikmeter deutlich. Die Anlage läuft aber bis heute weiter. Das Landratsamt Heilbronn ging von Fahrlässigkeit aus, obwohl einer seiner Mitarbeiter zwei Jahre zuvor bereits auf die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung der Biogasmenge hingewiesen hatte.

Die Behörde informierte deshalb auch nicht die Staatsanwaltschaft , sondern verhängte selbst zügig ein Bußgeld in Höhe von 5000 Euro gegen den Landwirt. Auch das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart als zuständige Immissionsschutzbehörde schaltete sich damals ein. Wie die Aufsichtsbehörde vor einigen Monaten mitteilte, stelle man seit 2015 sicher, dass die genehmigte Biogasmenge nicht mehr überschritten werde, indem man die betreffende Biogasanlage regelmäßig überwache.

„Umweltgefahr in beträchtlichem Umfang“

Unterdessen zweifelte der Nabu, ob die Biogasanlage umweltsicher ist – vor allem hinsichtlich künftigen Starkregens. Die Anlage habe nach einem solchen Ereignis am 30. Mai 2016 unter Wasser gestanden. Diese sei mit Gärresten, Diesel und anderen Betriebsstoffen versehen gewesen und über angrenzende Wege- und Grabensysteme dem geschützten Biotop „Attichsbach“ zugeleitet worden. So steht es in einem Schreiben vom 16. Juni 2017, das der Fachbeauftragte für Infrastrukturprojekte beim Nabu, Hans-Peter Kleemann, an Regierungspräsident Reimer gerichtet hat. Er kam darin zu dem Schluss, dass die Anlage „in beträchtlichem Umfang eine Umweltgefahr“ darstelle. Kleemann forderte Reimer auf, durch geeignete Auflagen oder bauliche Veränderungen zu veranlassen, dass von der überdimensionierten Anlage „keine nochmalige Gefahr für Umwelt, Schutzgebiete oder Böden zur Nahrungsmittelproduktion“ ausgehe.

Nabu-Landeschef Enssle sagte nun, dass ein Sicherheitskonzept entwickelt worden sei. Man werde sich dieses zeitnah anschauen. Dass der Landwirt als Alternative zu Mais eine Wildpflanzenmischung ausgesägt hat, begrüßte er: „Das ist ökologisch ein gewisser Mehrwert.“