Markus Jetter liefert die Schnitzel für Holzheizungen in der Stadt aus. Foto: Felix Heck

Immer weniger Menschen schneiden ihre Streuobstbäume zurück. Dabei würde sich das nicht nur für den Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft lohnen – sondern auch wegen des Themas nachhaltige Energie.

Filderstadt - Wenn Landwirt Markus Jetter auf dem Berghof in Harthausen seinen Häcksler anwirft, weiß das binnen Sekunden die ganze Nachbarschaft: Bis weit über die Felder schallt ein ohrenbetäubender Lärm durch Harthausen. Erst gluckert es nur leise, dann röhrt die Maschine los. Wie ein Orchestergraben voll schlecht gestimmter Geigen tönt es, wenn der Schlund der Maschine Zweig um Zweig in sich hineinfrisst. Ob ganze Stämme aus den Wäldern oder Zweige der Obstbauern aus der Region – nichts ist hier sicher. Mit prüfendem Blick lässt Markus Jetter den Greifarm seines Traktors über dem Berg aus Gehölz und Schnittgut kreisen. Kurz schubst er den Joystick an, schon schwenkt das Ungetüm nach unten aus und greift sich die nächste Ladung, die von den Messern zerkleinert wird. Ein schrilles Kreischen, ein angestrengtes Malmen, dann ist die Sache erledigt: Auf der anderen Seite bleiben nur noch Hackschnitzel übrig, die auf den Kipplaster gepustet werden.

Gebraucht werden die klobigen Holzschnitze, nur wenige Autominuten entfernt von Harthausen, von der Freien Waldorfschule Gutenhalde: Seit 2008 heizt die Privatschule mit einem eigenen kleinen Kraftwerk im Keller, einer klimaneutralen Holzheizung. Für deren Betrieb sind die Hackschnitzel als Brennmaterial unerlässlich. Im Winter bringt Markus Jetter daher bis zu zweimal die Woche mit einem Kipplaster Nachschub. Vor Ort kümmert sich Hausmeister Jochen Rauscher um den Betrieb der Anlage. In den zwölf Jahren der Zusammenarbeit hat der die Arbeit von Landwirt Markus Jetter schätzen gelernt. „Ohne die Hackschnitzel in einer solch guten Qualität wären wir aufgeschmissen“, sagt er.

Gut 8000 Kubikmeter Hackschnitzel produziere er im Jahr

Dabei ist Jetters Arbeit alles andere als selbstverständlich: Für den Harthausener springt bei dieser Angelegenheit nur wenig Profit heraus, wie er selbst sagt – das meiste fließe ohnehin zurück in den Hof oder den Betrieb der 600 000 Euro teuren Häckselmaschine. „Und da ist der immense Zeitaufwand noch gar nicht mitgerechnet“, sagt Jetter beim Ortstermin in Harthausen. Bis nach Horb am Neckar fährt er mit seiner Maschine; das Gerät ist bei Rodungen, beim Rückschnitt an Autobahnen und in den Wäldern im Einsatz.

Gut 8000 Kubikmeter Hackschnitzel produziere er so im Jahr, schätzt Jetter. Auch an den Winterwochenenden ist der Landwirt gefragt. Dann reisen die Streuobstbauern des Landkreises an und liefern ihr Schnittgut ab, das einen Großteil des Jahresertrags ausmacht: Bis zu 350 Kubikmeter an Hackschnitzeln lassen sich allein aus den Lieferungen von den Obstwiesen produzieren – noch. Denn das größte zusammenhängende Streuobstgebiet Europas, zu dem Filderstadt gehört, ist in Gefahr. Wissenschaftler der Uni Hohenheim errechneten kürzlich, dass die Zahl der Apfel- und Birnbäume im Südwesten in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent zurückgegangen sei. Auf seinem Hof merkt Markus Jetter bislang nichts von diesen Prognosen: „Die Streuobstwiesen liefern uns nach wie vor viel Schnittgut.“

Die scharfen Messer kennen kein Erbarmen

An jenem Samstagnachmittag im Februar ist es an der Abladestelle noch ruhig. Die Regenwolken am Himmel scheinen viele Obstbauern von ihren Schnittarbeiten abgehalten zu haben. Erst um kurz nach 16 Uhr wird es hektischer: Hintereinander liefern zwei Obstbauern ihr Tagewerk ab, der Haufen aus Schnittgut wächst. Zeit für Markus Jetter, den Häcksler anzuschmeißen: Die scharfen Messer der Maschine kennen kein Erbarmen, wenige Minuten später ist der Berg in sich zusammengeschrumpft.

Es gibt Tage, da verlasse er kaum mehr das Führerhaus seines Traktors, berichtet Jetter. „Wenn du acht Stunden am Tag Äste in einen Häcksler schiebst, dann wird es irgendwann richtig hart“, sagt er. Die Aufgabe begeistert ihn trotzdem: „Die kostenlose Häckselarbeit für Obstbauern ist mir eine Herzensangelegenheit. Für die sind solche Sammelstellen wichtig, denn beim Abliefern an die Kompoststellen der Stadt müssten sie zahlen.“

Holzheizungen seien klimaneutral

Geld verdient Markus Jetter dafür mit der Belieferung der Holzheizungen im Stadtgebiet – wie beispielsweise an die Freie Waldorfschule. Für die Privatschule spielten beim Umstieg von Öl auf Holz nicht nur die eingesparten Kosten eine Rolle. „Bei den Hackschnitzeln findet die Wertschöpfung vor Ort statt. Außerdem sind Holzheizungen klimaneutral, wenn man von der Anlieferung mal absieht“, nennt Rauscher weitere Gründe, die den Umstieg vorantrieben.

Ein Manko hat die Anlage trotzdem: Dreimal im Jahr muss sie für Wartungsarbeiten gereinigt werden, hinzu kommen die wöchentlichen Lieferungen und regelmäßige Kontrollgänge. „In der Woche macht das für mich zwei bis drei Arbeitsstunden aus“, sagt Rauscher. Ob beim Häckseln oder im Keller der Waldorfschule: Eine Holzheizung scheint Schweißarbeit zu sein. Eines versichern die beiden Heizprofis aber unisono: Dem Klimaschutz zuliebe würden sie die zusätzliche Zeit gerne opfern.