Dicht dran: Thomas Herwigs Häuschen (rechts) liegt nur wenige Meter von der Werkstatt in Korntal und der Bahnlinie entfernt. Foto: factum/Weise

Ein Anwohner der Strohgäubahn-Werkstatt in Korntal erringt einen schier unglaublichen juristischen Sieg. Das höchste Verwaltungsgericht rügt das Urteil der Kollegen in Mannheim. Ein Beschluss mit Seltenheitswert.

Korntal-Münchingen - Thomas Herwig lässt sich nicht einschüchtern. Der 58-jährige Nachbar der Strohgäubahn-Werkstatt in Korntal will sich nicht davon abbringen lassen, das Vorgehen der Behörden bei seiner Klage auf Lärmschutz scharf zu kritisieren. „Da wurde beschissen, das können Sie gerne schreiben“, sagt Herwig. Umso begeisterter war der Freiberufler, als er Anfang der Woche einen Brief vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig erhielt. Die höchste juristische Instanz hob das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH), das zu seinen Ungunsten ausgefallen war, auf. Nun müssen die Mannheimer Richter den Fall neu aufrollen. „Ich bin immer noch völlig baff“, sagt Thomas Herwig.

Seit Jahren kämpft der Unternehmer mit Faible für Oldtimer dafür, dass der im Landratsamt Ludwigsburg angesiedelte Zweckverband Strohgäubahn ihm eine Lärmschutzwand baut. Der Krach des Werkstattbetriebs, vor allem die laute Weichenumstellung, sei nachts unerträglich. Rund 10 000 Euro, schätzt Herwig, habe er bereits für das Verfahren ausgegeben. Nun hofft er, doch noch zum Erfolg zu kommen. „Die Karten sind neu gemischt.“

Richter haben ihre Pflicht verletzt

Im vorigen Oktober hatte ein fast ganztägiger Außentermin des VGH in Korntal stattgefunden. Vor allem aus zwei Gründen hatte das Gericht damals dem Zweckverband Recht gegeben: Erstens liege Herwigs Häuschen nicht in einem Mischgebiet mit strengeren Lärmvorschriften, sondern in einem faktischen Gewerbegebiet, in dem Anwohnern mehr Lärm zuzumuten sei. Und zweitens sei die Lärmbelastung im einzigen als „schutzwürdigen Raum“ deklarierten Raum – Herwigs Schlafzimmer – unter den Grenzwerten.

Beide Argumente hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun juristisch als zweifelhaft kritisiert. Zu bemängeln sei insbesondere, dass die Mannheimer Richter eine Fensterfront in Herwigs Wohnküche faktisch ignoriert hätten. Der VGH habe damit „seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen“. Auch die Einstufung als Gewerbegebiet sei angreifbar – nur habe Herwig seine Einwände rechtlich nicht präzise genug formuliert. Herwig sieht darin eine „Gebrauchsanweisung, wie ich diese Gebietseinstufung kippen kann“.

Widersprüche im Urteil entdeckt

Der im Gerichtsverfahren federführende Zweckverband beruft sich nach wie vor auf ein Lärmgutachten, demzufolge die Lärmbelastung an Herwigs Schlafzimmerfenster im zumutbaren Bereich liege. Dass die komplette Fensterfront an der Südfassade von seinem Haus laut dem Gutachten wesentlich stärker von Lärm belastet ist, hält man im Landratsamt für nicht entscheidend. Da Herwigs Wohnung baurechtlich nicht genehmigt sei, müsse darauf keine Rücksicht genommen werden.

Der VGH war allerdings bei der Verhandlung davon ausgegangen, dass Herwigs Wohnung prinzipiell genehmigt werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht hält es für unlogisch, die Belastung an der südlichen Fensterfront zu ignorieren, wo doch der VGH „an der Genehmigungsfähigkeit der nach Westen ausgerichteten Fenster (...) keine Zweifel“ gehabt habe.

Clinch mit mehreren Behörden

Im Landratsamt Ludwigsburg gibt man sich dennoch optimistisch. Man sehe „gute Chancen, dass der VGH bei der erneuten Prüfung seine bisherige Entscheidung aufrecht hält“, teilt die Sprecherin Annegret Kornmann mit. Vorzuwerfen sei den Mannheimer Richtern nichts, sie hätten nur „noch genauer ermitteln müssen, ob sich im Haus des Klägers schutzbedürftige Wohnräume mit nach Süden ausgerichteten öffnungsfähigen Fenstern befinden“.