Menschen protestieren vor dem polnischen Verfassungsgericht. Teile des EU-Rechts sind laut einem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts nicht mit der Verfassung des Landes vereinbar. Foto: dpa/Czarek Sokolowski

Das Verfassungsgericht in Warschau urteilt, dass Teile des EU-Rechts gegen die Verfassung des Landes verstoßen

Brüssel - Der Streit zwischen Polen und der EU eskaliert. Am Donnerstag hat das Verfassungsgericht in Warschau geurteilt, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der Verfassung Polens vereinbar sind. „Der Versuch des Europäischen Gerichtshofs, sich in das polnische Justizwesen einzumischen, verstößt gegen (...) die Regel des Vorrangs der Verfassung und gegen die Regel, dass die Souveränität im Prozess der europäischen Integration bewahrt bleibt“, erklärten die Richter.

Die Fronten sind längst verhärtet

Mehrere Male hatte das Gericht die Verkündigung des Urteils verschoben und die diplomatischen Kanäle von Brüssel nach Warschau liefen den Sommer über heiß. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte während ihres letzten Besuches als Regierungschefin in Polen Mitte September versucht, die Konfrontation zu entschärfen.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs am Dienstag verhärteten sich die Fronten allerdings vollends. Die Richter stellten fest, dass Teile der polnischen Justizreform nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Nun erklärte die Vorsitzende Richterin am Verfassungsgericht in Warschau, Julia Przylebska, im Gegenzug, dass das EU-Recht nicht über dem nationalen Recht stehe, und die EU-Institutionen mit ihrem Vorgehen gegen Warschau ihre Kompetenzen überschreiten würden.

Mehrere Verfahren der EU gegen Polen

Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Dabei hat die Brüsseler Behörde nicht nur Zweifel an der Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts, welches nun den Vorrang des nationalen Rechts über EU-Recht festgestellt hat. Im Fokus sind auch die Pressefreiheit, Rechte von Homo- und Transsexuellen oder auch der Umweltschutz.

Inzwischen geht es auch konkret ums Geld. Denn die EU-Kommission hält bisher die Freigabe von insgesamt 57 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Hilfsfonds für Polen zurück. Das ist bisher das massivste Druckmittel in den Händen der EU. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro wirft Brüssel deshalb „Erpressung“ vor.

Deutliche Reaktion der EU-Kommission

Am späten Abend reagierte die EU-Kommission auf das Urteil in Polen. Eric Mamer, Sprecher von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hob in einem Tweet die Rolle der Union als Rechtsgemeinschaft hervor. Das heißt, dass mit dem Beitritt zur EU die Mitgliedsländer einen Teil ihrer nationalen Souveränität an die Gemeinschaft abgetreten. So steht es auch in der polnischen Verfassung. Die Kommission werde in Ruhe das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtes analysieren, heißt es in einer Mitteilung, dann werde über die nächsten Schritte entschieden. Die Kommission werde auf jeden Fall dafür sorgen, dass das EU-Recht in allen Staaten angewendet werde, so wie es in den Verträgen steht.