Die Uni Stuttgart distanziert sich von den Klimaleugnern. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Vor und in dem Gästehaus der Uni Stuttgart auf dem Vaihinger Campus wird es am Samstag turbulent zugehen: Drinnen will der AfD-nahe Verein Fortschritt in Freiheit seine Thesen zum Klimawandel verbreiten, draußen trommelt das Bündnis Stuttgart gegen Rechts zur Demo.

Stuttgart - In Kindergärten, Schulen und Universitäten: Wer indoktriniert unsere Kinder?“ Unter diesem Titel lädt der in Köln ansässige Verein Fortschritt in Freiheit am kommenden Samstag zur öffentlichen Podiumsdiskussion ins Gästehaus der Uni Stuttgart auf den Vaihinger Unicampus. Der Verein gilt als AfD-nah und betrachtet Klimaforschung als „Pseudowissenschaft“, wie auf seiner Homepage nachzulesen ist.

Dieses Nachlesen war bei der Buchung im Campus-Gästehaus, das vom Studierendenwerk betrieben wird, unterblieben, räumt das Studierendenwerk ein. Bereits Ende September erhielt es dann Protestschreiben. „Ich bin ziemlich entsetzt und bitte Sie um eine Stellungnahme. Ich habe selbst in Stuttgart studiert und kann es nicht glauben, dass gerade das Studierendenwerk Stuttgart diesem Verein eine Bühne bietet“, schreibt ein Alumnus.

Stuttgarter Bündnis gegen Rechts verlangt Kündigung der Veranstaltungsräume

Am 31. Oktober erhielt das Studierendenwerk einen offenen Brief vom Bündnis Stuttgart gegen Rechts, dem neben dem Antifaschistischen Aktionsbündnis unter anderem Jugendorganisationen von Grünen und SPD sowie der Gewerkschaften Verdi und DGB angehören. In dem Brief gibt das Stuttgarter Bündnis zu bedenken, dass als Referenten ein AfD-Bundestagsabgeordneter sowie der Journalist Matthias Matussek eingeladen seien, welcher mit rechten Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam gemacht habe. Zudem sei der Verein Fortschritt in Freiheit bereits in der Vergangenheit damit aufgefallen, Klimawandel-Leugnern, prominenten Rechtspopulisten und offenen Faschisten eine Bühne zu gewähren, heißt es in dem Brief.

Lesen Sie hier: Kommentar – Das Studierendenwerk Stuttgart sollte genauer hinschauen (Plus)

Und: „Wir möchten dem Studierendenwerk und der Uni Stuttgart als Träger des campus guest keine Nähe zur AfD oder Fortschritt in Freiheit unterstellen.“ Man gehe davon aus, dass es nicht im Interesse von Uni und Studierendenwerk sei, eine solche Veranstaltung mit einer Raumzusage zu unterstützen. Denn, so heißt es weiter in dem Brief: „Als Universität und Studierendenwerk stehen Sie für wissenschaftliche und überprüfbare Inhalte.“ Davon sei jener Verein „meilenweit entfernt“. Deshalb fordert das Stuttgarter Bündnis das Studierendenwerk auf, dem Verein die Raumzusage für den 16. November zu entziehen und auch künftig keine Veranstaltungen dieses Vereins in Uniräumen zuzulassen.

Studierendenwerk hat vergeblich versucht, die Veranstaltung zu stornieren

Das Studierendenwerk hat jetzt mit einer öffentlichen Stellungnahme darauf reagiert. „Wir verstehen Ihr Anliegen und teilen ganz überwiegend Ihre Bedenken in moralischer und inhaltlicher Sicht“, heißt es darin. Für den Inhalt einer Veranstaltung sei jedoch allein der Veranstalter und nicht die Uni oder das Studierendenwerk verantwortlich. „Wir haben am 2. Oktober die Veranstaltung storniert, da wir uns als Hochschuldienstleister und Betreiber von Kindergärten inhaltlich ebenfalls angegriffen gefühlt haben“, so Pressesprecherin Anita Bauer. Der Verein habe die Stornierung aber erfolgreich angefochten. „Wir sahen uns gezwungen, die Kündigung zurückzunehmen.“

Als Betreiber sei man verpflichtet, die Veranstaltung ordnungsgemäß durchzuführen, argumentiert das Studierendenwerk. Deshalb habe man für den 16. November bereits ein Security-Team organisiert und die Polizei informiert. Denn das Bündnis Stuttgart gegen Rechts hat für 12.30 Uhr bereits eine Demo angekündigt.

Veranstalter lud auch Fridays for Future ein

Hannelore Thomas, die Vorsitzende des Vereins Fortschritt in Freiheit, kann die Proteste und den Stornierungsversuch des Studierendenwerks „nicht nachvollziehen“. „Wir sind kein Sprachrohr für eine Partei, wir sind ganz neutral“, erklärte sie auf Anfrage unserer Zeitung. „Wir freuen uns über jede Partei, die auf uns aufmerksam macht.“ Doch bisher ist dies nur die AfD. Auch auf der Teilnehmerliste am Samstag findet sich nur ein AfD-Bundestagsabgeordneter. „Wir haben alle angeschrieben“, sagt Thomas, nicht nur die verschiedenen Parteien, sondern auch Verdi, die BUND-Jugend und Fridays for Future. Aber die einen hätten erklärt, sie hätten keine Zeit, die letzteren zwei hätten gar nicht geantwortet, berichtet sie.

In der Veranstaltung am Samstag wolle man über wissenschaftliche Erkenntnisse informieren und später die Ergebnisse der Podiumsdiskussion auswerten, kündigt Hannelore Thomas an. Ihre Position ist klar: „Wir haben wissenschaftlich nachgewiesen, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt.“

Uni Stuttgart distanziert sich

Das sieht die Uni Stuttgart naturgemäß anders. Sie distanziert sich von der Veranstaltung. Denn diese gehe „diametral gegen das, wofür die Uni Stuttgart steht: für einen Ort der wissenschaftlichen Freiheit und des offenen Diskurses“, erklärte Unisprecher Hans-Herwig Geyer. Auch die Uni habe im Vorfeld versucht, Einfluss zu nehmen, damit die Veranstaltung nicht stattfinde. Allerdings vergeblich.

Das Studierendenwerk merkt an, dass der Verein Fortschritt in Freiheit gemeinnützig und die AfD nicht verboten sei. Im Übrigen lebten Wissenschaft und Forschung vom öffentlichen Diskurs, aber auch von Respekt für den anderen bei offenem politischem Streit.