Um das deutsche Pippi-Langstrumpf-Lied gibt es einen Rechtsstreit. (Archivbild) Foto: dpa

„Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune“ - die Rechteinhaber des deutschen Pippi-Langstrumpf-Liedes müssen nun genauer rechnen als das eigensinnige Mädchen. Ein Hamburger Gericht hält eine Klage der Astrid-Lindgren-Erben für aussichtsreich.

Hamburg - Das Haus, der Affe und das Pferd, ein schräges Einmaleins und dazu das Bekenntnis „ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ - das sind nach Ansicht des Hamburger Landgerichts die typischen Elemente von Pippi Langstrumpf. Wolfgang Franke hat sie 1969 in der deutschen Liedversion „Hey, Pippi Langstrumpf“ genial zum Ausdruck gebracht. Immer wieder betont der Vorsitzende der Zivilkammer am Mittwoch in einer Gerichtsverhandlung den „hohen schöpferischen Eigengehalt“ des deutschen Textes. Dennoch verletze er wohl das Urheberrecht, sagt Richter Benjamin Korte. Eine von Lindgrens Erben erhobene Klage sei aussichtsreich. Denn die im Lied genannten Attribute von Pippi tauchten alle schon in den Büchern von Astrid Lindgren auf. Der Charakter der literarischen Figur sei jedoch urheberrechtlich geschützt.

Die Erbengemeinschaft aus Tochter und Enkeln der schwedischen Kinderbuchautorin hat die Filmkunst-Musikverlags- und Produktionsgesellschaft (München) und die Witwe von Franke Ende 2017 verklagt. Mit einem Unterlassungsantrag wollen sie erreichen, dass sie an den Einnahmen aus der Verbreitung des Liedes beteiligt werden. Um wie viel Geld es geht, ist unklar. Die Astrid Lindgren AB hat den deutschen Musikverlag aufgefordert, die Zahlen offen zu legen. Es dürfte auf jeden Fall mehr als „zwei mal drei macht vier“ sein.

Die rechtliche Ausgangslage ist nicht ganz einfach. Das Kinderbuch erschien zuerst 1945 in Schweden, vier Jahre später auf Deutsch im Oetinger-Verlag. 1969 kam die schwedisch-deutsche Fernsehserie heraus, dazu das berühmte Lied. Zu der Melodie von Jan Johansson dichtete Franke seinen Text. Die schwedische Originaldichtung von Lindgren („Här kommer Pippi Långstrump“) habe er dafür gar nicht gebraucht, weil er Pippi Langstrumpf schon „by heart“ (auswendig) kenne, schrieb er nach Angaben von Korte damals an die Autorin. Lindgren habe 1970 ihre Unterschrift unter die Filmverträge gesetzt.

Die Erben wollten kein Schuldabkommen

In dem Hamburger Verfahren geht es vor allem um die Nutzung des Liedes jenseits der Filme. Als Beweismittel liegen auf dem Richtertisch „Das große Astrid Lindgren Liederbuch“ und zwei CDs. Aus der Korrespondenz zwischen Franke und Lindgren gehe nicht eindeutig hervor, dass die Schwedin dem Deutschen die alleinige Nutzung erlaubt habe, sagte Korte.

Die Anwältin des Münchner Musikverlags, Alexandra Heyn, bekräftigte dagegen, Franke habe etwas ganz Eigenes geschaffen, eine unabhängige Bearbeitung, wie die Juristen sagen. „Affe, Haus und Pferd sind keine Charakterelemente, sondern Teil der Figur“, sagte die Anwältin. Allein das „Wie-es-mir-gefällt“ und die Rechenschwäche seien Charakterzüge, die im Lied erwähnt würden. Das reiche aber für einen Verstoß gegen das Urheberrecht nicht aus. Der Geschäftsführer des Musikverlages, Martin Weinert, fügte mit Nachdruck hinzu: „Wir haben Pippi Langstrumpf groß gemacht, und zwar ganz groß.“ 80 Prozent der Leute auf der Straße könnten den Text singen.

Der Vertreter von Lindgrens Erbengemeinschaft, Ralph Oliver Graef, stimmt wenig später „wie Frau Nahles im Bundestag“ vor vollem Saal ein Lied an, aber nicht das von Pippi, sondern „Ein Mann, der sich Kolumbus nannt“. Graef hat eine „Mundorgel“, ein Liederbuch aus den 50er Jahren, mitgebracht. Schon nach der zweiten Zeile des Kinderliedes intoniert er „wide-wide-witt bumm, bumm“. Kern dieser musikalischen Beweisführung ist: Franke habe sich auch - „möglicherweise unbewusst“ - bei anderen Autoren bedient, als er Jahre später dichtete: „Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune“. Von wegen alles eigen, will der Hamburger Anwalt damit sagen.

Die Erben wollten kein Schuldabkommen. „Es geht einfach um die Anerkennung des Lebenswerks von Astrid Lindgren“, sagt Graef. Er räumt zugleich ein: „Das Lied ist super, die Filme sind super, die Figur soll so bleiben.“ Doch seit Jahren versuche man vergeblich zu einer Einigung mit den deutschen Rechtenutzern zu kommen. Es gehe nicht an, dass sich jemand einfach so das Gespann aus dem Affen Nilsson, Pippi Langstrumpf und Pferd schnappe, damit durch die Welt fahre und Geld verdiene.

Sollte das Gericht der Klage stattgeben, könnte das Lied vorerst nicht weiter verbreitet werden, „was sehr schade wäre“, wie Korte versicherte. Ein Gerichtssprecher erläuterte, dass dann auch die Filme von dem Mädchen mit den roten Zöpfen nicht mehr gezeigt werden könnten, zumindest so lange nicht, bis sich beide Seiten über die Verteilung der Einnahmen geeinigt haben. Doch auch die Kläger wollen es so weit nicht kommen lassen: „Pippi lebt, Pippi wird leben!“, rief Anwalt Graef.