Wohnungsmodernisierungen wie hier in Untertürkheim sind mit Lärm, Dreck und deutlich erhöhten Mieten verbunden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Streit um Modernisierungsarbeiten an zahlreichen Gebäuden von Deutschlands größtem Immobilienunternehmen beschäftigt bundesweit die Gerichte. Eine einheitliche Linie ist nicht zu erkennen. Doch in Stuttgart droht neues Ungemach.

Stuttgart - Bei Deutschlands größtem Immobilienunternehmen zeigt man sich seiner Sache sicher. „Falsch“ seien die jüngsten Stuttgarter Gerichtsurteile, heißt es bei Vonovia. Erst das Amts-, dann das Landgericht hatten einer Mieterin aus dem Stuttgarter Osten Recht gegeben. Ihre Wohnung war wie so viele in der Landeshauptstadt und bundesweit umfassend modernisiert worden. Danach stieg die Miete um satte 37,5 Prozent. Die Frau ging zum Mieterverein, zog vor Gericht – und erhält jetzt fast 4700 Euro seit der Erhöhung zuviel bezahlte Miete zurück. Zuletzt scheiterte ein weiterer Versuch Vonovias, die Urteile mittels juristischer Schachzüge noch anzugreifen.

Das Unternehmen sieht sich nicht nur in Stuttgart Klagen gegen die Modernisierungsmieterhöhungen ausgesetzt. Dabei geht es freilich nicht um die Rechtmäßigkeit an sich oder den Betrag, sondern um die Ankündigungsschreiben. In denen, so die Richter, müssen Mieter nach Gewerken getrennt sehen können, welche Maßnahmen geplant sind. Nur so lasse sich erkennen, was Instandhaltung sei, die der Vermieter tragen muss, und was wirklich Modernisierung, die sich auf die Mieter umlegen lässt. Das sahen nicht nur die Stuttgarter Gerichte bei Vonovia nicht als erfüllt an.

Für den Stuttgarter Mieterverein sind die Folgen klar. Zahlreiche Vonovia-Mieter können zuviel bezahlte Miete zurückfordern, heißt es dort. „Die meisten Ankündigungsschreiben sahen und sehen so aus wie die beanstandeten“, sagt der Vorsitzende Rolf Gaßmann. Man habe bereits weitere Fälle vorliegen, zum Teil aus derselben Wohnanlage im Stuttgarter Osten. „Es wird neue Klagen geben“, kündigt er an.

Scharfe Kritik des Mietervereins

Sammelklagen sind allerdings kaum denkbar – dafür bräuchte man 50 Betroffene aus einer Wohnanlage. Das lässt sich normalerweise nicht machen. Beim Mieterverein ärgert man sich deshalb, dass Vonovia nach den Urteilen nicht von allein mit Angeboten auf betroffene Mieter zukomme. Stattdessen verbreite das Unternehmen bei seinen Mietern Unwahrheiten und schüchtere sie ein, so Gaßmann. Da werde zum Beispiel mit Mahn- und Klageverfahren gedroht.

Bei Vonovia schätzt man die Lage völlig anders ein als beim Mieterverein. „Wir rechnen nicht mit einer Flut an Klagen“, sagt Unternehmenssprecher Matthias Wulff. Eine Allgemeingültigkeit des Stuttgarter Urteils oder ähnlicher Entscheidungen in Hamburg und Bremen könne man nicht erkennen. „Es handelt sich immer um individuelle Vorgänge, denn jede Modernisierung und ihre Ankündigung ist anders“, so Wulff. Höchstens innerhalb einer Siedlung könnten die Fälle ähnlich gelagert sein – weil es sich um dieselbe Baumaßnahme handle.

Und noch etwas bringt man in der Bochumer Zentrale vor: „Es gibt bundesweit leider keine klare Rechtsprechung“, betont Wulff. Denn es fielen nicht alle Urteile gegen Vonovia aus. Er verweist dabei auf Entscheidungen in Aachen, Koblenz oder Köln. Ein Flickenteppich an Urteilen. „Wir würden gerne wissen, wie wir es denn nun machen sollen. Schließlich wollen wir den Mietern weder zu viele noch zu wenige Informationen über die Baumaßnahmen liefern“, so der Sprecher. Bereits heute umfassen die Ankündigungsschreiben häufig über 40 Seiten. Um endlich einen Knopf an das leidige Thema zu bekommen, wolle man eine höchstrichterliche Klärung beim Bundesgerichtshof. Die allerdings ließen die Gerichte bisher nicht zu, kritisiert man in Bochum. Das Stuttgarter Landgericht etwa hatte keine Revision zugelassen. Dagegen hat Vonovia nun Beschwerde eingelegt.

Es geht nur um die Form des Anschreibens

Ein ums andere Mal betont man bei Vonovia, dass es nicht um die Modernisierung an sich oder die Mietererhöhung gehe. „Wir setzen korrekte Maßnahmen, etwa zur energetischen Modernisierung, um“, sagt auch Wulff. Der Streitpunkt liege lediglich im Aufbau sowie in der Formulierung der Erhöhungsschreiben.

Die allerdings, so ist auch von Mieterseite zu hören, ändern sich inzwischen. Bei Vonovia versucht man offenbar, die Schreiben so zu gestalten, dass man sich mehr Rechtssicherheit schafft. Und auch die Mieter, die erfolgreich vor Gericht gezogen sind, bleiben wohl nicht unbehelligt: Sie bekommen zwar die zuviel gezahlte Miete zurück – erhalten dann aber ein neues, verändertes Erhöhungsschreiben. Hält das den Kriterien stand, müssen sie eben später mehr Miete bezahlen als ursprünglich vorgesehen.

Beim Stuttgarter Mieterverein hält man den Gang durch die Instanzen und die Forderung nach höchstrichterlicher Klärung indes „für Nebelkerzen“. Vonovia wolle Mietern, die sich eine Klage überlegen, damit signalisieren, sie seien trotz des Landgerichtsurteils rechtlich nicht auf sicherer Seite. So sollten weitere Prozesse verhindert werden. Und der Konzern verschaffe sich Zeit, um die Probleme möglichst abzustellen. Mieter in der Friedhofstraße etwa haben inzwischen neue Erhöhungsschreiben erhalten. „Darin sind viele Fehler korrigiert“, sagt Gaßmann. Ganz so sicher, dass die Stuttgarter Gerichtsurteile falsch sind, ist man sich offenbar in Bochum doch nicht.