Wie viel darf ein Kitaplatz die Eltern kosten? Darum wird vor Gericht gestritten. Foto: dpa

Die Eltern des zweijährigen Noah nehmen die Niederlage vor dem Stuttgarter Landgericht nicht hin. Sie wollen durch ihre Berufung erreichen, dass die Stadt ihnen doch noch die Mehrkosten bezahlt.

Stuttgart - Nach der Niederlage vor dem Stuttgarter Landgericht wollen die Eltern des zweijährigen Noah (Name geändert) Berufung gegen das Urteil einlegen. Das teilte Noahs Vater unserer Zeitung mit. Dem Urteil zufolge bleiben Noahs Eltern auf den Mehrkosten für die deutlich teurere Sillenbucher Privatkita sitzen und sollen auch noch die Prozesskosten zahlen.

Sie sind beide berufstätig und hatten gegen die Stadt auf Schadenersatz und Kostenerstattung geklagt. Doch bei der Urteilsverkündung kurz vor Weihnachten hatte Einzelrichter Leo Decker erklärt, der kleine Noah habe keinen Anspruch darauf, in einer öffentlichen Kita mit niedrigerer Kostenbelastung unterzukommen. Und es sei der Familie durch die teurere Betreuung in der Privatkita auch kein Schaden entstanden.

Für die Familie ist es allerdings ein großer Unterschied, ob sie für die Krippe rund 1000 Euro im Monat ausgibt oder nur 238 Euro wie in einer städtischen Einrichtung. Doch ein Platz in einer städtischen oder anderen öffentlichen Einrichtung fand sich für Noah trotz intensiver Bemühungen bis heute nicht, er steht bei der Stadt immer noch auf der Warteliste.

Stadt will derzeitige Praxis bei Umgang mit Rechtsanspruch nicht ändern

Bei der Stadt sieht man in dem Etappensieg vor dem Stuttgarter Landgericht jedoch keinen Anlass, die derzeitige Praxis beim Umgang mit Familien, die ihren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung geltend machen, zu ändern. Es handle sich dabei in der Sache und von der Anspruchsgrundlage her juristisch um einen Einzelfall, erklärte Jugendamtsvize Heinrich Korn auf Anfrage unserer Zeitung. Die Stadt werde sich auch weiterhin am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts orientieren, wonach der Paragraf 90 des Sozialgesetzbuchs VIII greife. Darin geht es um die soziale Zumutbarkeit der Kitagebühren. Richtschnur dafür ist das Einkommen der Eltern, das diese dann offenlegen müssen. Eine solche Kostenübernahme nach dem Sozialgesetzbuch gebe es schon seit Anfang der 90er Jahre, so Korn. Dabei sei es für das Jugendamt unerheblich, ob die Eltern ihren Rechtsanspruch geltend oder von ihrem Wunsch- und Wahlrecht Gebrauch machten, etwa wenn es um eine bestimmte Pädagogik gehe, zum Beispiel in einer Waldorfkita. Den Besuch in Luxuskitas finanziere die Stadt allerdings nicht unbegrenzt mit, so Korn. Er ergänzt: „Für mich ist das völlig unbefriedigend, dass wir so eine heterogene Gebührenlandschaft haben.“ Auch die Gebührenkalkulation der Kitaträger sei sehr unterschiedlich.

Familien können Übernahme der Mehrkosten für Kita auch ohne Klage beantragen

Für die Familien selbst sei das Vorgehen jedoch das gleiche. „Eltern können zu uns kommen und einen Antrag auf Übernahme der Mehrkosten stellen, müssen aber einen Einkommensnachweis mitbringen“, so Korn. Dafür sei es weder notwendig, den Rechtsanspruch geltend zu machen noch zu klagen. Wer formal seinen Rechtsanspruch geltend mache – laut Korn sind das in Stuttgart 250 Familien –, erhalte daraufhin eine Einzelberatung und werde über mögliche Alternativen informiert. „Mit allen Familien, die ihren Rechtsanspruch geltend machen, wird gesprochen und nach Lösungen gesucht“, versichert der Jugendamtsvize. Das Ergebnis könne sein, dass vielleicht doch ein Platz gefunden werde, wenn auch nicht in der Wunscheinrichtung, vielleicht auch in einem anderen Stadtteil oder bei einer Tagesmutter, vielleicht auch nicht zum Wunsch-Aufnahmetermin – vielleicht aber auch gar kein Platz. Denn eine Platzgarantie gebe es so oder so nicht.

63 Familien haben laut Korn derzeit einen Antrag auf Aufwendungsersatz gestellt, 18 Fälle davon sind bei Gericht anhängig. Es sind nicht die einzigen. Denn zudem seien am Verwaltungsgericht auch 18 Klagen auf einen Betreuungsplatz anhängig, allerdings könne es sich teilweise um dieselben Familien handeln. Darüber hinaus klagen fünf Eltern auf Schadenersatz.