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Jedes Jahr wird in den Kreistagen erbittert um die so genannte „Kreisumlage“ gestritten. Die Landräte wollen Geld von den Kommunen, die Bürgermeister wehren sich – aber worum geht es dabei eigentlich?

Region Stuttgart - Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas ist ein mit allen Wassern gewaschener Kommunalpolitiker. Da er weiß, dass die zahlreich im Kreistag versammelten Bürgermeister gerne dem Landratsamt ein wenig Geld abknapsen, ist er in diesem Jahr auf eine besonders clevere Strategie verfahren. Denn eigentlich hat seine Kämmerin Bettina Beck beste Zeiten: Das Haus schwimmt nahezu in Geld, wie viele Städte und Gemeinden auch. Die Unternehmen zahlen so viel Gewerbesteuern wie nie. Wie kann Haas dennoch verhindern, dass sein Haushalt zusammengestrichen wird?

Die Zeichen stehen in der Regel auf Sturm, wenn es um die Kreisumlage geht. Das ist eine Abgabe, die Kommunen an den Landkreis zu entrichten haben. In Ludwigsburg liegt der Satz derzeit bei 28 Prozent. Diesen Anteil von ihren eigenen Steuereinnahmen müssen sie abführen. Darauf ist das Landratsamt angewiesen, denn es darf keine eigenen Steuern erheben. Im Kreis Ludwigsburg werden so im laufenden Jahr 223 Millionen Euro eingenommen, die dann für Krankenhäuser, Müllbeseitigung oder Sozialhilfe ausgegeben werden.

Andere Landkreis verlangen mehr von den Kommunen

Anderswo in der Region ist die Kreisumlage deutlich höher: In Böblingen 33 Prozent, in Esslingen 30,7 Prozent, im Rems-Murr-Kreis werden 35,4 Prozent verlangt. Hier müssen die Bürgermeister also mehr von ihren Einnahmen abgeben als in Ludwigsburg. In den 90er-Jahren lag der Satz sogar bei mehr als 40 Prozent in einigen Kreisen, was die Kommunen forderte.

Und so ist die Diskussion über diese Kommunalsteuer eine der wichtigsten Fragen, die in der Kreispolitik entschieden wird. Da alle öffentlichen Haushalte gut versorgt sind, ist der Verteilungskampf dieses Mal zwar etwas entspannter. Doch Rainer Haas befürchtet offenbar, dass das viele Geld dazu verführt, die Kreisumlage nun stark abzusenken.

Als Reaktion darauf hat er die Risiken ziemlich drastisch skizziert und verwies trickreich darauf, dass die Kliniken im Kreis Ludwigsburg in den kommenden Jahren viel Geld für Investitionen bräuchten: „Der Schuldenstand steigt von 90 auf über 180 Millionen Euro.“ Allerdings hat er dabei nicht berücksichtigt, dass es auch Zuschüsse dafür gibt. Und Haas hat einen ungewöhnlichen Vorschlag präsentiert.

Die Taktik von Landrat Rainer Haas

Eigentlich müsste die Kreisumlage von 28 auf 27,5 Prozent gesenkt werden, denn das Landratsamt hat in den vergangenen Jahren immer Überschüsse erwirtschaftet und rechnet auch für 2019 damit. Haas schlug indes vor, die Umlage bei 28 Prozent zu lassen – und die rechnerisch quasi übrigen vier Millionen Euro für die Krankenhäuser auf die hohe Kante zu legen. Wie zu erwarten war, gab es im Kreistag negatives Echo. „Der Kreis ist auch mit 27,5 Prozent solide finanziert“, erklärte der CDU-Fraktionschef Manfred Hollenbach, er erinnerte an Überschüsse von 125 Millionen Euro in den der vergangenen Jahren. Und der Chef der Freien Wähler, der Vaihinger OB Gerd Maisch, verwies auf die Belastung seiner Stadt. Der Landrat verteidigte seinen Vorstoß („Ich habe keinen Tresor im Keller“), doch die große Ratsmehrheit wird wohl die Reduzierung beschließen.

Doch die wird eben nur 0,5 Punkte betragen. Hätte Haas nicht strategisch die Sonderrücklage vorgeschlagen, wäre es vielleicht nicht dabei geblieben. Im Rems-Murr-Kreis hat der Landrat Richard Sigel gleich im Vorfeld die Segel gestrichen und angeboten, die Kreisumlage auf 34 Prozent zu senken. „Wir kommen den Kommunen entgegen“, sagte er bei der Etatvorstellung .

Auch auf die Frage, warum im Rems-Murr-Kreis die Städte und Gemeinden mehr als die Ludwigsburger abgeben müssen, hat Sigel eine Antwort: Im Rems-Murr-Kreis kümmere sich das Landratsamt auch um bezahlbaren Wohnraum. Sprich: Man leiste viel mehr.

In Göppingen soll die Umlage sogar steigen

Ganz ähnlich lauten übrigens die Begründungen seit Jahren im Kreis Böblingen, der ein ausgeprägtes System der Jugendhilfe und von Beratungsstellen für Notlagen hat. Hier hat der Landrat Roland Bernhard schon im Sommer angekündigt, die Kreisumlage müsse mit 33 Prozent stabil bleiben – wegen der hohen Investitionen in die Flugfeldklinik und die Schönbuchbahn zum Beispiel.

In Göppingen geht der Landrat Edgar Wolf einen ganz anderen Weg: Er schlägt sogar vor, die Kreisumlage zu erhöhen, von 34,1 auf 35,5 Prozent. Denn das Landratsamts-Gebäude soll erweitert werden, die Kliniken werden saniert und auch für den Nahverkehr wird mehr ausgegeben.

Ob er dies im Kreistag durchbringt, ist offen. Der Ludwigsburger Amtskollege Rainer Haas kann jedenfalls zufrieden sein: Er ist trotz bester Finanzlage relativ ungeschoren davongekommen. Der Linken-Sprecher Hans-Jürgen Kemmerle war in der Etatdebatte neben den Grünen einer seiner Fürsprecher: „Was die anderen Fraktionen hier vorschlagen, ist unsolide, geradezu unschwäbisch.“