Das Modell zeigt: so könnte das Kaelble-Areal mal aussehen – wenn die hoch fliegenden Pläne umgesetzt werden. Foto: Gottfried Stoppel

Das Unternehmen will mitten in der City eine Hochschule, ein Museum, ein Hotel, eine Halle, Wohnungen sowie Büros mit 150 000 Quadratmetern Fläche bauen und wirft der Stadtverwaltung vor, sie habe Angst vor dem Projekt.

Backnang - In dem Videoclip sind viele futuristisch anmutende Gebäude in Backnang zu sehen. Ein elegantes Hochhaus, mindestens 100 Meter hoch. Wohngebäude direkt an der Murr, eine Hochschule und ein Hotel, mehrere hundert Wohnungen, ein Museum, ein sechsgeschossiges Parkhaus. Zwischen den am Computer gezeichneten Prachtbauten ist viel Grünfläche. So oder so ähnlich könnte das bis dato heruntergekommene Kaelble-Areal mitten in Backnang künftig aussehen. Das Projekt ist indes heftig umstritten.

Jetzt haben der Riva-Firmenchef Hermann Püttmer und sein international arbeitender Startarchitekt Helmut Jahn – eins seiner Projekte war das Sony-Center in Berlin – bei einem Pressegespräch ihre Pläne detailliert vorgestellt. Das Quartier soll nach ihren Vorstellungen Backnang-West heißen. Man könnte – ohne zu übertreiben – sagen: das Duo plant eine komplett neue Innenstadt. Der Stadtverwaltung, namentlich dem OB Frank Nopper und dem Baudezernenten Stefan Setzer – haben Püttmer und Jahn vorgeworfen, sie hätten Angst vor dem Mega-Projekt, dessen Realisierung angeblich rund 500 Millionen Dollar (rund 430 Millionen Euro) kosten soll. Diese Summe habe Jahn kürzlich genannt, erklärten Nopper und Setzer auf Anfrage unserer Zeitung.

Architekt Jahn: „Wir wollen Backnang besser machen.“

Jahn und Püttmer indes wollten beim Pressetermin nicht auf die Kosten eingehen. Beide kritisierten vielmehr, dass die Verwaltung „kein Feedback“ gebe. Die Kommune wolle offenbar gar nicht in den Beratungsprozess einsteigen, so Jahn. Doch Städte, die es versäumten, „den öffentlichen und den privaten Raum zu verbinden“, die also keine Räume für Arbeitsplätze und für Wohnen beieinander bauten, „werden nicht mehr wichtig sein“. Das neue Quartier werde sich nahtlos in die Stadt einfügen, sagte Jahn. „Wir wollen Backnang besser machen.“

Der geplante Turm mit Wohnungen und Büros könne zu einem Highlight und Besuchermagnet werden, wie der Aufzug-Testturm in Rottweil. Jahn: „Wir sehen uns als Visionäre mit Ideen und Konzepten.“ Auf Nachfrage zum Thema Hochschule erklärte Püttmer: Ohne so eine Einrichtung werde Backnang aussterben. Der Rems-Murr-Kreis sei der einzige im Land ohne Hochschule. Wer könnte so eine technische Hochschule denn betreiben? Nach einigen Überlegen erklärte Püttmer: „Das müssen wir wohl selber in die Hand nehmen müssen.“ Jahn sagte, man rede derzeit nur über einen Masterplan, zunächst nicht darüber, wer welche Einrichtung später mal betreiben könnte. Jahn und Püttmer forderten die Stadtverwaltung zum Dialog auf. „Wir warten seit zehn Monaten.“ Wenn die Vorschläge umgesetzt würden, dann könne die Stadt Geschichte schreiben. Man sei freilich auch bereit über alternative Bauprojekte mit der Stadt zu sprechen.

OB: „Etwas, das zu Backnang passt und nicht zu Chicago“

OB Nopper reagierte gestern Nachmittag – konfrontiert mit den Vorwürfen – konsterniert. Die Verwaltung sei ständig im Kontakt mit Herrn Püttmer und der Firma Riva. „Wir sind aber nicht immer einer Meinung.“ Zuletzt sei man Mitte Juli zusammengesessen, auch mit Vertretern des Landratsamts. Der Stadtchef sagte: „Wir wollen, dass etwas auf dem Kaelble-Areal geschieht, aber das Richtige – etwas, das zu Backnang passt und nicht zu Chicago.“ Das Projekt sei „völlig überdimensioniert“.

Setzer sagte, Püttmer wolle seine Ideen eins zu eins umsetzen, zäume das Pferd von hinten auf. Zunächst müssten aber Grundlagen geschaffen werden für die Bebauung. Es gelte diese Fragen zu klären: Sind Altlasten im Boden? Wird der Hochwasserschutz beachtet? Wie kann der Straßenverkehr fließen? Das könnte zwei Jahre lang dauern. Erst danach sei es sinnvoll einen Masterplan zu erstellen. Püttmer sei offenkundig der Meinung, man könne alle Probleme mit guten Worten und mit Geld lösen.

Ein streitbarer Firmenchef

Amphitheater
Der Chef der Firma Riva, Hermann Püttmer, ist schon mehrmals mit der Stadt Backnang aneinander geraten. Im Jahr 2017 zum Beispiel wurde er dazu verdonnert, illegale Auffüllungen im Garten der Fabrikantenvilla Adolff, die seiner Firma gehört, wieder abzutragen. 5000 Kubikmeter mussten entfernt, 2000 Kubikmeter auf dem Gelände anders verteilt werden. Auf dem Areal hatte Püttmer ein Amphitheater bauen lassen wollen, in dem 800 Gäste Platz gefunden hätten.

Spende
2015 hat die Stadt es abgelehnt, eine Spende der Firma Riva in Höhe von 10 000 Euro anzunehmen. Püttmer hatte die Summe für Freiluft-Turngeräte in Maubach spendieren wollen. Spenden, hieß es damals seitens der Stadtverwaltung, dürften nur angenommen werden, „wenn sie unverfänglich sind“.