Fahren ohne Fahrer: vielleicht sieht man solche Bilder künftig häufiger in der Region Stuttgart. Foto: dpa

Verkehrsminister Winfried Hermann hat die Karten neu gemischt: Obwohl eine Fachjury für Karlsruhe votiert hat, könnten Stuttgart und Ludwigsburg doch noch den Zuschlag für ein Testfeld für autonomes Fahren erhalten.

Stuttgart - Die Frage, wo in Baden-Württemberg demnächst konkret über den Straßenverkehr der Zukunft geforscht wird, ist überraschenderweise wieder offen. Nur anderthalb Wochen nach dem Votum einer von der Landesregierung eingesetzten Jury, die einstimmig empfohlen hatte, in der Region Karlsruhe ein Testfeld zum autonomen Fahren einzurichten, findet an diesem Mittwoch im Verkehrsministerium eine kurzfristig anberaumte Runde statt. Darin dürfen sich alle drei Bewerber erneut vorstellen. Entsprechende Informationen unserer Zeitung bestätigten sowohl das Verkehrs- als auch das Wirtschaftsministerium. Damit sind neben Karlsruhe auch Ulm sowie Stuttgart und Ludwigsburg, die eine gemeinsame Bewerbung abgegeben hatten, wieder im Rennen um eines der wichtigsten Forschungsprojekte in Sachen Mobilität. Dieses wird sich das Land 4,6 Millionen Euro kosten lassen – verteilt auf zwei Tranchen.

In den Rathäusern von Stuttgart und Ludwigsburg hat diese Nachricht Freude ausgelöst. Er begrüße, dass sich Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) „vor einer endgültigen Entscheidung noch einmal einen eigenen Eindruck der drei Bewerbungen verschaffen will“, sagte der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec auf Anfrage. Der Sprecher seines Stuttgarter Amtskollegen Fritz Kuhn (Grüne) betonte, dass die Ansiedlung des Testfelds in Stuttgart und Ludwigsburg die Möglichkeit biete, die Region „als High-Tech-Standort und Zentrum der Mobilität zu positionieren“. Mit einer Entscheidung für das Doppel Stuttgart/Ludwigsburg würde dokumentiert, dass hier „die technologische Spitzenforschung“ stattfinde: „In keiner anderen Region Deutschlands besteht eine solche Dichte an hochspezialisierten Fahrzeugherstellern, Zulieferketten, Forschungseinrichtungen und Patenten.“

Zuständigkeiten in den Ministerien neu geregelt

Hintergrund der Wiederaufnahme des Bewerbungsverfahrens ist ein Wechsel in den Zuständigkeiten bei den Landesministerien. Im Zuge der Reorganisation der Landesregierung nach dem Wechsel von Grün-Rot auf Grün-Schwarz ist das bisher im Wirtschaftsministerium angesiedelte Thema autonomes Fahren dem Verkehrsministerium zugeschlagen worden.

Die Fachjury, der Vertreter von vier Ministerien angehörten, war bisher vom Ministerialdirigenten Günther Leßnerkraus aus dem Wirtschaftsministerium geleitet worden. Vor allem seine Rolle – er ist auch Vorsitzender des Kuratoriums des Forschungszentrums Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (FIZ), das die Karlsruher Bewerbung maßgeblich trägt – war einigen Beteiligten sauer aufgestoßen. Eine plausible Erklärung, warum Karlsruhe von der Jury favorisiert worden sei, gebe es jedenfalls nicht, sagte zum Beispiel der Ludwigsburger OB Spec.

Wirtschaftsministerium sieht keinen Interessenskonflikt

Den Verdacht, dass bei Leßnerkraus ein Interessenskonflikt vorhanden sein könnte, weist das Wirtschaftsministerium allerdings zurück. Zum einen sei die Entscheidung der Experten für Karlsruhe einstimmig gefallen. Zum anderen sitze Leßnerkraus „in Aufsichts- und Beratungsgremien aller drei Wettbewerber“.

Doch trotz des Votums der Fachleute behält sich Winfried Hermann das letzte Wort vor. Über seinen Sprecher lässt er erklären, dass er „sich selbst ein Bild verschaffen und voraussichtlich in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen“ werde. Ob er dabei der Empfehlung der Jury für Karlsruhe folgen werde, sei offen.

Oberbürgermeister werben für ihre Städte

Diese neue Situation wollen die Oberbürgermeister nutzen, um noch einmal für ihre Standorte zu werben. „Stuttgart ist das Herz der Automobilindustrie“, lässt Fritz Kuhn seinem Parteifreund Winfried Hermann ausrichten – und betont, dass auch die vielen mittelständischen Zulieferer von einem Testfeld im Herzen des Landes profitierten. Sein Ludwigsburger Kollege Spec weist darauf hin, dass es „angesichts des fundamentalen Wandels“ der Branche auch darum gehen müsse, „dass in der Automobilregion Stuttgart nicht nur die Wiege des Automobils steht, sondern auch die Forschungslabore für die Zukunft“.

Ganz leer ausgehen müsse das bisher favorisierte Karlsruhe aber nicht, meint Spec. Da dort „mit erheblicher Förderung des Landes eine hohe Expertise aufgebaut wurde, wollen wir diese in unserem gemeinsamen Testfeld Ludwigsburg/Stuttgart einbeziehen“.