Stephan Brandner (AfD), Vorsitzender des Rechtsausschusses. Foto: AFP/Odd Andersen

Warum eine Mehrheit im Bundestag den AfD-Mann Brandner an der Spitze des Rechtsausschusses für unerträglich hält, aber trotzdem mit einer Abwahl ringt.

Berlin - Wenn es um den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner geht, dann lassen die Aussagen der anderen Parlamentarier an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Nach mehreren verbalen Provokationen sprechen Politiker aller anderen Fraktionen Brandner als Vorsitzendem des Rechtsausschusses ihr Misstrauen aus. Mit einer Abwahl zögern sie aber. Ein Überblick.

Wer ist Stephan Brandner?

Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Jurist arbeitete als Rechtsanwalt im thüringischen Gera, wo er für die AfD in den Landtag einzog. 2017 errang er ein Bundestagsmandat. Bereits im Landtag hatte er sich die Rekordzahl von 32 Ordnungsrufen erarbeitet. Zu seinem Jargon gehört es, die Grünen als „Koksnasen“ zu bezeichnen. Auch Beschimpfungen mit sexueller Konnotation nutzt er regelmäßig. Brandner twittert viel. Von Vertretern anderer Fraktionen erntet er inzwischen auch Kritik an seiner fachlichen Arbeit. Brandner zeige großes Desinteresse an rechtspolitischen Themen, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, unserer Zeitung. In der letzten Sitzungswoche sei er bei keinem von fünf Tagesordnungspunkten zum Fachgebiet im Plenum gewesen.

Warum eskaliert die Situation jetzt?

Vermutlich wegen mehrerer Provokationen in kurzer Reihenfolge. Zuletzt hatte Brandner in einem Tweet den Sänger Udo Lindenberg, der das Bundesverdienstkreuz bekam, scharf angegriffen, weil dieser die AfD kritisierte. Brandner bezeichnete den Orden als „Judaslohn“. Erst kurz zuvor hatte ein Tweet nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle Politiker aller Fraktionen empört. Danach hatte der Rechtsausschuss nahezu geschlossen seinen Rücktritt oder die Abwahl verlangt. Brandner hatte sich später entschuldigt, allerdings nicht vom Inhalt distanziert.

Warum wurde Brandner Ausschussvorsitzender?

Die Ausschussvorsitze werden im Parlament aufgeteilt und dann nach eine Reihenfolge vergeben. Die AfD als Oppositionsführerin hat Anspruch auf mehrere Vorsitze. Normalerweise werden die Vorsitzenden nicht gewählt, sondern die Kandidatenvorschläge zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Geschäftsordnung ist in diesem Punkt wortkarg und spricht von „bestimmt.“ Das kann auch eine Wahl bedeuten. Im Fall Brandners wurde diese beantragt – dies war kein Novum, sondern zuvor schon bei der damaligen PDS vorgekommen. Schon bei seiner Nominierung für den Ausschuss meldeten etliche Abgeordnete sowie juristische Vereinigungen Bedenken an.

Kann der Rechtsausschuss seinen Vorsitzenden jetzt wieder abwählen?

Darüber brüten gerade die Juristen des Bundestag und der Fraktionen. Die Geschäftsordnung sieht dies nicht ausdrücklich vor.  

Muss man sie also ändern?

Muss man sie also ändern? Nein, sagen einige Juristen: da ja auch eine Wahl erfolgt sei, gehe eine Abwahl. Andere halten dagegen eine Änderung für nötig. Am Donnerstag soll sich der Geschäftsordnungsausschuss mit der Frage befassen. Beide Varianten haben politische Folgen. Eine Änderung würde erneut als „Lex AfD“, also als Regelung nur gegen die AfD kritisiert werden. Eine Abwahl ohne Änderung könnte zu einem Rechtsstreit führen.