Ist Streik in Coronazeiten vertretbar? Foto: dpa/Jens Büttner

Der Tarifkonflikt im baden-württembergischen öffentlichen Nahverkehr eskaliert erneut – diesmal in Karlsruhe, wo Verdi am Donnerstag zum Warnstreik aufgerufen hat. Am Freitag rollen die Busse und Bahnen allerdings wieder.

Stuttgart - Im Tarifkonflikt des baden-württembergischen Nahverkehrs gehen die Wogen mittlerweile fast täglich hoch. Nach dem juristischen Streit zwischen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG und Verdi am vorigen Dienstag hat sich die Gewerkschaft am Donnerstag mit den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) angelegt.

Dort hatte Verdi die Mitarbeiter zu einem Warnstreik bis zum frühen Samstagmorgen aufgerufen. „Hierdurch sind die VBK gezwungen, den Trambahnverkehr (Linien 1-6 und S2) und den Busbetrieb komplett einzustellen“, konterte das Unternehmen am Donnerstag. Denn bestreikt würden betriebsrelevante Bereiche in der Werkstatt, beim Fahrstrom, der zentralen Leitstelle und bei deren Einsatzfahrzeugen. Dadurch sei „kein sicherer Bahn- und Busbetrieb mehr möglich“. Doch am Abend konnte für diesen Freitag Entwarnung gegeben werden. Es sei gelungen, die Notdienstvereinbarung mit der VBK derart zu ergänzen, dass der Fahrbetrieb am nächsten Morgen wieder aufgenommen werden könne, teilte die Gewerkschaft mit.

„Auf dem Rücken der Fahrgäste“

Verdi hatte zunächst entrüstet auf den Stillstand reagiert: „Die VBK eskaliert auf dem Rücken ihrer Fahrgäste, genau das wollten wir verhindern“, rügte Thorsten Dossow, der Geschäftsführer von Verdi Mittelbaden. Verdi rufe bewusst den Fahrdienst nicht mehr zum Warnstreik auf, um die Bevölkerung und insbesondere die Schüler so wenig wie möglich belasten. Nun würden die Fahrer bis Samstagmorgen freigestellt – mit der Androhung, kein Gehalt von der VBK zu bekommen.

Andreas Schackert, der Landesfachbereichsleiter und Verhandlungsführer von Verdi, nannte dies eine „Aussperrung der Fahrer“ und sprach von einer „massiven Provokation“. „Während wir versuchen, den Tarifkonflikt zu deeskalieren, ziehen die Arbeitgeber die schärfste und umstrittenste Waffe im Arbeitskampf“, so Schackert. Aussperrungen werden in der Tat von Arbeitgebern heute kaum noch eingesetzt, weil sie das Verhältnis zur Arbeitnehmerseite auf längere Zeit stark beeinträchtigen.

Bis Ende Oktober Verzicht auf bundesweite Warnstreiks

Verdi führt den Tarifkampf im Nahverkehr sowohl landesweit als auch auf Bundesebene, sieht sich aber wegen der Pandemie auch zunehmend in der Defensive. Nach zwei Wochen Warnstreiks für einen bundesweiten Rahmentarifvertrag bietet die Gewerkschaft der kommunalen Arbeitgebervereinigung nun an, sich auf einen „Prozess zur bundesweiten Vereinheitlichung elementarer Arbeitsbedingungen wie Urlaub, Überstunden und Zuschlagsregelungen zu verständigen“. Um diesem Prozess die „nötige Ruhe“ zu geben, wolle man bis Ende Oktober auf bundesweite Warnstreiks verzichten.