Die Gerlinger Hauptstraße ist eine der Strecken mit hohen Lärmwerten – trotz Tempo 30. Foto: factum/Weise

Rund 1000 Bürger sind Tag und Nacht besonders lauten Geräuschen in der Stadt ausgesetzt. Besonders heftig ist es an den Hauptstraßen. Das Interesse an diesen offiziellen Erkenntnissen ist zwar groß – die Ernüchterung darüber aber auch.

Gerlingen - Sabine Bach muss die Türe schließen, wenn sie in ihrem Laden mit einem Kunden redet und draußen ein Lastwagen vorbeifährt. Sonst versteht sie kein Wort in der Filiale von Iffland-Hören in der Schulstraße von Gerlingen. Auch Giovanni Doimo ist von Straßenlärm nicht begeistert. „Bei uns wird Gas gegeben“, sagt der Wirt des Eiscafés in der unteren Hauptstraße. Gefährlich sei das schon, meint Doimo – er sieht von seiner Eistheke aus genau auf die Straße. Viele junge Kunden, auch Mütter mit Kinderwagen, würden zur Einmündung der Eltinger Straße genau gegenüber gehen, und dazu die Hauptstraße überqueren. Passiert sei noch nichts, stellt Doimo erleichtert fest – aber ausgeschlossen ist das nicht. Zu unübersichtlich ist die Stelle. „Eigentlich gilt hier Tempo 30“, meint Doimo – wie in der Schulstraße.

Tempo 30 gilt vielerorts

In Gerlingens Innenstadt gilt aus vielen Gründen Tempo 30, und es gilt ein Durchfahrverbot für Lastwagen. Beides wird häufig missachtet. Und beides steht in einer Studie, die für den Lärmaktionsplan erstellt wurde. Darin sind die Straßen kartiert, und es ist hervorgehoben, wo es besonders laut ist. Das ist die Autobahn – aber es sind auch die Hauptstraßen in der Innenstadt, der Ring und drumherum.

Als Lärmschwerpunkte gelten die Ditzinger Straße von der Hauptstraße bis zur Christophstraße, die Leonberger Straße von der Hauptstraße bis zur Lammstraße, die Weilimdorfer Straße von der Kirchstraße bis zur Hofwiesenstraße, die Hauptstraße von der Leonberger Straße bis zur Schulstraße, sowie die Schulstraße selbst. Auffällig ist, dass es dort besonders laut ist, wo beschleunigt wird – wie nach der Kurve beim Eiscafé. Laut ist es aber auch im weiteren Verlauf dieser Straßen. Die Gutachter haben ausgerechnet, wie viele Menschen besonders von Lärm betroffen sind: Es sind mehr als 1000, tagsüber wie nachts.

Werte sind lediglich ausgerechnet

Belegbare Zahlen, ermittelt durch Zählungen, Befragungen oder Messungen, gibt es aber nicht – weder zu den betroffenen Menschen noch zum tatsächlich auftretenden Lärm. Die Werte seien berechnet auf der Basis von Verkehrszählungen und anderen bekannten Werten, wie der Zahl der Häuser, dem Anteil von Lastwagen, den zulässigen Geschwindigkeiten oder den Steigungen der Straßen. Die Basisdaten stammen aus den Jahren 2010 bis 2016, die Berechnungen von 2017. Die errechneten Werte seien aussagekräftiger als Messungen vor Ort, so Christian Fend von der Gutachterfirma Accon zu unserer Zeitung.

Was kann die Stadt gegen Lärm tun? In der Ditzinger und der Leonberger Straße könne bei Sanierungen lärmarmer Straßenbelag aufgebracht werden, sagen die Gutachter. Ansonsten könne Lärm vermieden werden, indem der ÖPNV, der Fußgänger- und der Radverkehr gefördert werde.

„Eine Frage der Überwachung“

„Das macht einen hoffnungslos“, sagte Stadträtin Irmgard Schopf (CDU) im Technischen Ausschuss. „Es bleibt nichts, was wir noch tun können.“ Vorschriften seien gut gemeint, „aber es nützt nichts, wenn keiner kontrolliert.“ Brigitte Fink (SPD) fragte nach Programmen für Schallschutzfenster und stellte fest: „ÖPNV ist wunderbar, aber die Straßenbahn alle zehn Minutenist auch laut.“ Martin Prager von der Verkehrsbehörde wies auf das Durchfahrverbot für Lastwagen hin. Rolf Schneider (Grüne) dazu: „Wir wissen beide, dass es nicht funktioniert“. Der Bürgermeister Georg Brenner (parteilos) betonte, es sei „eine Frage der Überwachung“.

In der Schulstraße wurde die Fahrbahn vor etwa zwei Jahren übrigens mit einem Spezialbelag saniert. Sabine Bach, die Expertin für Hören aus dem Fachgeschäft, hat festgestellt, dass es dort seither deutlich leiser geworden ist.