Die Fronten in Kiew sind verhärtet. Die zweite Nacht in Folge liefern sich gewaltbereite Oppositionelle Straßenschlachten mit der Polizei. Oppositionsführer Klitschko befürchtet Tote.

Die Fronten in Kiew sind verhärtet. Die zweite Nacht in Folge liefern sich gewaltbereite Oppositionelle Straßenschlachten mit der Polizei. Oppositionsführer Klitschko befürchtet Tote.

Kiew - Nach den blutigen Straßenschlachten in Kiew haben sich prowestliche Opposition und russlandtreue Staatsführung gegenseitig die Schuld an der Zuspitzung der Lage gegeben. Präsident Viktor Janukowitsch habe kein Interesse an einer Lösung der innenpolitischen Krise, sagte Oppositionspolitiker Vitali Klitschko. Anders als erwartet traf sich der Ex-Boxweltmeister nicht zu neuen Krisengesprächen mit Janukowitsch. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Kljujew, warf Klitschko vor, aus den Verhandlungen auszusteigen.

In Moskau gab der russische Außenminister Sergej Lawrow dem Westen eine Mitschuld an den Gewaltexzessen. Mit ihrer Teilnahme an den Straßenprotesten versuchten Politiker westlicher Länder, Gewalt zu provozieren. Nur ein Dialog und keine Einmischung von außen könne die Lage beruhigen, sagte Lawrow.

Nahe dem Parlament in Kiew standen am Dienstag weiterhin Hunderte gewaltbereite Regierungsgegner einem massiven Aufgebot der Sicherheitskräfte gegenüber. Die maskierten und mit Holzknüppeln bewaffneten Demonstranten verstärkten ihre Barrikaden. In der Nacht hatten Gewaltbereite erneut Steine und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte geschleudert.

Klitschko räumte in der „Bild“-Zeitung (Dienstag) ein, dass die Opposition „die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle“ habe. Schuld daran sei die Regierung von Janukowitsch, der acht Wochen lang nicht darauf gehört habe, was Hunderttausende Menschen von ihm friedlich gefordert hätten. „Wenn Janukowitsch mit seinen Repressalien so weitermacht, würde es mich nicht wundern, wenn es bald Tote zu beklagen gibt“, schrieb Klitschko.

Ban Ki Moon ruft zur Zurückhaltung auf

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich besorgt über die gewaltsamen Ausschreitungen und rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle kündigte für diesen Freitag und Samstag Gespräche in Kiew mit Regierung und Opposition an.

Die Opposition in der Ukraine fordert unter anderem vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie die Rücknahme des verschärften Demonstrationsrechts. Entsprechende umstrittene Gesetze treten an diesem Mittwoch in Kraft.

Klitschko warf der Führung um Janukowitsch vor, sie wolle die Situation destabilisieren und Chaos schaffen. „Schläger wurden in die Hauptstadt gebracht, um Autos anzuzünden, Schaufenster einzuschlagen, zu stehlen und Schlägereien zu provozieren“, behauptete der 42-Jährige. Er habe persönlich zwei Provokateure gestellt.

Bei den Straßenschlachten wurden nach Angaben der Opposition seit Montag mehr als 1400 Demonstranten verletzt. Zumeist seien es Verletzungen an Gesicht, Armen und Beinen durch Gummigeschosse und Splitter von Tränengasgranaten, sagte Oleg Mussi vom medizinischen Dienst der Demonstranten. Aus Angst vor Strafverfolgung hätten fast alle Verletzten eine Behandlung in staatlichen Kliniken verweigert. Festgenommenen Demonstranten droht jahrelange Haft wegen der Teilnahme an Massenunruhen.

Das Innenministerium berichtete von mindestens 163 verletzten Sicherheitskräften. 80 Beamte würden noch in Kliniken behandelt.