Unter den Fahnen finden sich auch die Symbole von Staaten, zwischen denen es Spannungen gibt, wie zum Beispiel Israel und der Iran. Foto: Cedric Rehman

Straßenkünstler malen Flaggen verschiedener Länder auf den Schlossplatz. Passanten können auf dem Nationalsymbol ihrer Wahl etwas Münzgeld hinterlassen.

S-Mitte - Eine Frau freut sich, als sie den türkischen Mondstern sieht. „Ha, das ist ja die Türkei“, sagt sie und kramt ein paar Münzen aus ihrem Geldbeutel. Sie platziert sie auf der kreisrunden und mit Kreide in Rot und Weiß ausgemalten Fläche. Andere Passanten legen etwas Kleingeld auf der griechischen, chinesischen oder russischen Flagge ab.

Drei Männer knien auf dem Schlossplatz und malen die Fahnen mit farbiger Kreide. Sie muss abwaschbar sein und von den Pflastermalern restlos entfernt werden. Denn nur so erfüllt sie laut Stadt das Kriterium einer erlaubnisfreien Sondernutzung. Einer der Künstler wischt sich die Stirn ab. Die Hitze, der Trubel in der Menschentraube auf dem Schlossplatz, das bringt den Mann zum Schwitzen. Er sagt, dass er aus Rumänien komme. „Wir malen die Flaggen und die Menschen geben dann Geld“, meint er auf Englisch. Welche Nationalität besonders freigiebig oder patriotisch ist, verrät der Blick auf die unterschiedlichen Münzhaufen. Der Pflastermaler zeigt auf den Kreis mit der deutschen Flagge. Dort liegen bereits viele Münzen und der Fingerzeig des Straßenkünstlers ist wohl ein Hinweis, das eine mehr dem Wohl des Landes auch nicht schaden würde. „Die Deutschen sind klug“, kommentiert der Pflastermaler den Griff zum Portemonnaie.

Künstler zeigen die Farben der Opposition

Aber auch die Pflastermaler scheinen sich etwas bei ihrem Kunstwerk gedacht zu haben. Die Nationen, die mit einer Flagge geehrt werden, sind meist auch solche, deren Bürger sich als Touristen, Migranten oder Flüchtlinge in Stuttgart aufhalten. Oder es handelt sich um beliebte Reiseländer der Deutschen wie Spanien. Syrien ist zum Beispiel abgebildet. Interessanterweise ist aber nicht die offizielle rot-weiß-schwarze Flagge mit zwei grünen Sternen auf den Schlossplatz zu sehen.

Syrien glänzt stattdessen in Grün und Schwarz mit roten Sternen. Diese Flagge der alten Syrischen Republik gilt als Symbol der syrischen Opposition. Syrer, die vor dem Machthaber Assad nach Stuttgart geflüchtet sind, dürfte der Anblick eher gefallen und zum Griff in den Geldbeutel animieren als die Flagge der syrischen Regierung. Obwohl die Kurden keinen eigenen Staat haben, hat es auch eine kurdische Fahne in das Flaggenmeer aus Kreide geschafft. Der rote Stern auf grünem und gelbem Grund garniert mit den Buchstaben „YPG“ ist das Symbol der kurdischen „Volksverteidigungseinheiten“ aus dem syrischen Nordosten.

Iran und Israel sind abgebildet

Auch Israel und ein derzeit nicht existierender Staat „Palästina“ sind in dem Quadrat mit den Nationalsymbolen abgebildet. Die Flagge des Iran ist in der selben Reihe zu sehen wie die des von der iranischen Führung als Erzfeind angesehenen Israels. Die US-Flagge hat Gesellschaft von der Flagge Kubas und die Symbole Chinas und Russlands sind trotz aller weltpolitischen Spannungen auch nicht weit weg vom Sternenbanner zu finden.

Ein rumänischer Straßenkünstler hat im vergangen Jahr in Köln während der Fußballweltmeisterschaft in Russland für Aufmerksamkeit gesorgt mit einem ähnlichen Flaggenmeer auf der Domplatte. Das Bild des friedlichen Miteinanders von Nationen – sei es auch nur aus Kreide – scheint bei vielen nicht nur in Stuttgart gut anzukommen.