Fröhliche Hochzeitsrunde mit Salut-Schüssen: die Polizei ermittelt inzwischen wegen des Waffeneinsatzes. Foto: Dogru Film / Youtube

Illegale Autokorsos bei Vermählungsfeiern, das kennt man inzwischen. In Aalen zeigte sich eine bedenkliche Variante: Festteilnehmer schießen mit möglicherweise scharfen Waffen in die Luft. Das Innenministerium gibt sich noch gelassen.

Aalen - Ein Menschenpulk in einer Wohnstraße in Aalen (Ostalbkreis): Mal ist eine Braut im weißen Kleid zu sehen, dann der Bräutigam. Und immer wieder Festteilnehmer, die mit Pistolen in die Luft schießen, auch aus einem Auto heraus. In einer Szene ballert ein Mann im Anzug sogar mit einer Maschinenpistole eine Salve in den Himmel. Zu sehen ist das alles auf einem Film, der sich Anfang dieser Woche im Internet verbreitete. Gezeigt wird der Zusammenschnitt einer Hochzeitsfeier von Anfang Mai.

Die Polizei in Aalen hatte Kenntnis von der türkischen Feier, sie war sogar vor Ort an jenem Samstagmittag, wie ein Sprecher am Mittwoch sagte. Anlass waren Anrufe von Nachbarn, die von Knallgeräuschen erschreckt wurden. „Aber die Kollegen konnten keine Schüsse oder auch Waffen wahrnehmen“, so der Sprecher. Die Hinweise der Anrufer seien insgesamt zu „unspezifisch“ gewesen, die Grundlage zur Durchsuchung von Personen oder Autos habe gefehlt. So habe sich die Polizei darauf beschränkt, den Stau von rund 50 Autos aufzulösen.

Vom Ruhrgebiet in den Süden?

Nach Auftauchen des Videos, das offenbar ein professioneller Filmer aus dem rheinland-pfälzischen Ludwigshafen drehte, reagiert die Polizei jetzt entschlossener. Es werde nun wegen des Waffeneinsatzes ermittelt, heißt es. Eine der zentralen Fragen ist, ob bei der Hochzeitsfeier Schreckschussmunition knallte oder sogar echte Schusswaffen verwendet wurden. Auch am Wohnort der Braut in Bad Ditzenbach (Kreis Göppingen) soll geschossen worden sein. Der Filmer selber wollte am Mittwoch auf Anfrage unserer Zeitung nichts sagen.

Vermeintlich fröhliche Schießereien bei Hochzeiten, das ist bisher vor allem als Phänomen aus dem Ruhrgebiet bekannt. Anfang Juni, kurz nachdem in Dortmund und Bielefeld Schüsse gefallen waren, hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) deshalb einen härteren Kurs gegen Hochzeitskorsos angekündigt. Aber auch in Ludwigsburg ist die Polizei im Juli wegen des Abfeuerns mutmaßlicher Schreckschusspistolen durch Hochzeitsgäste aktiv geworden. Und im selben Monat hatten erschreckte Zeugen Schüsse aus einem Hochzeitskorso in Heilbronn heraus gemeldet. Bei einer anschließenden Verkehrskontrolle wurde allerdings nichts gefunden.

Fast 100 Autokorsos innerhalb eines Jahres

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält solche Zwischenfälle bislang für beherrschbar. Das geht aus einer Anfrage des FDP-Abgeordneten und früheren Justizministers Ulrich Goll zum Thema „illegale Autokorsos“ hervor. Wie das Ministerium schreibt, sind allein im vergangenen Jahr (Stichtag 9. August) insgesamt 92 Autokorsos mit Bezug zu Hochzeitsfeierlichkeiten registriert worden. Geahndet wurden in der Folge 25 Straftaten. Die Mehrzahl sind, mit elf Fällen, Verstöße gegen das Waffengesetz. Erfasst sind in dieser Statistik ausschließlich rechtskräftige Verurteilungen.

Anstrengungen wie in Nordrhein-Westfalen hält der Minister Strobl für nicht notwendig. Es sei „nicht beabsichtigt, einen Aktionsplan zu erlassen“, teilte er Goll vor wenigen Tagen mit. Die Landespolizei tausche sich „fortlaufend und anlassbezogen“ zum Thema aus – zuletzt im Mai im Rahmen der turnusmäßigen Besprechung der Leiter der Verkehrspolizeidirektionen. Es sei Konsens, dass „landesweit konsequent eingeschritten wird“. Wie genau das zu geschehen hat, sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Die Beweisführung ist schwierig

Im Fall Aalen hat die zuständige Staatsanwaltschaft Ellwangen noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen Einzelpersonen könne nicht allein aufgrund des Videos vorgegangen werden, es bedürfe weiterer erhärtender Beweise, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Ellwangen, Andreas Freyberger. Als Straftatbestände kämen zum Beispiel unerlaubter Waffenbesitz oder das unerlaubte Führen von Waffen infrage. Solche Nachweise zu ermitteln könnte schwierig werden, da viele Monate vergangen sind. Die Menge der Festteilnehmer im Mai sei groß gewesen, und Verdächtige könnten nach geltendem Recht zudem die Aussage verweigern – auch als mögliche Zeugen anderen Familienmitgliedern gegenüber. „Das Problem liegt weniger im Rechtlichen als im Tatsächlichen“, so Freyberger. Fraglich also, ob der Fall Aalen überhaupt je Teil der Straftaten-Statistik wird.