Mit Demonstrationen haben Reisebüros auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Unzählige Urlaubsreisen mussten wegen der Corona-Krise storniert werden. Für die Reisebüros bedeutete dies einen immensen Arbeitsaufwand, aber keine Einkünfte. Viele bangen um ihre Zukunft.

Filder - In einem Monat feiert Thomas Straube das 30-jährige Bestehen seines Möhringer Reisebüros. Obwohl – „feiern“ kann man es eigentlich nicht nennen. Danach ist ihm zurzeit überhaupt nicht zumute. Stattdessen denkt er zum runden Geburtstag an all die Katastrophen zurück, die sein Geschäft in den vergangenen 30 Jahren herausgefordert haben: der Golfkrieg, die Wirtschaftskrise, der 11. September 2001, die Pleite von Air Berlin. „Das ist von den Auswirkungen her alles ein Witz gegen Corona“, sagt Straube, „so etwas Einschneidendes ist noch nie da gewesen“.

Seit zwei Monaten kann das Möhringer Reisebüro keine Einnahmen mehr verzeichnen. Alle sechs Mitarbeiter, darunter auch die der Filiale in Schmiden, sind in Kurzarbeit – eine Maßnahme, die aus finanziellen Gründen unbedingt notwendig ist, die Angestellten aber in Arbeit versinken lässt. „Die Rückabwicklungen für die Reisen, die jetzt nicht angetreten werden konnten, sind sehr aufwendig“, sagt Thomas Straube. „Die Reiseveranstalter sind teilweise seit acht Wochen nicht erreichbar, und das bleibt jetzt an den Reisebüros hängen, weil wir den unmittelbaren Kundenkontakt haben.“

Der Kollaps der Reisebranche stehe noch bevor

Mit den Kunden muss geklärt werden, ob die Reise storniert oder verschoben wird. Oft sind mehrere Telefonate dafür nötig. „In der Zeit, in der die Mitarbeiter da sind, arbeiten sie sehr schnell und effektiv“, sagt Straube. Und: ohne Gewinn für das Unternehmen. Reisebüros finanzieren sich über Provisionen, die es für jede angetretene Reise gibt. Dieses Geld bekommt Thomas Straube in der Regel im Monat nach der Buchung. Wenn nun aufgrund des Coronavirus die Reisen storniert werden, muss er das Geld zurückzahlen. „Ob man sich das leisten kann, hängt bei jedem einzelnen von den Rücklagen ab und wie man bisher gewirtschaftet hat“, sagt Straube.

Cornelius Meyer, Vorsitzender des Reisebüro-Verbands Best Reisen, spricht von einer Umfrage, die zeigt, dass Reisebüros maximal fünf Monate lang eine solche Phase ohne Einkommen kompensieren können. „Das heißt, dass in ein bis zwei Monaten der große Kollaps der Branche bevorsteht.“ 100 000 Arbeitsplätze würden auf dem Spiel stehen, wenn man die gesamte Tourismusbranche anschaue sogar drei Millionen. „Die Geschäftsgrundlage wurde uns mit dem Reiseverbot zu 100 Prozent entzogen“, sagt Meyer.

Die Verunsicherung ist noch da

Nun kämen zwar nach und nach Lockerungen, doch Reisebüros würden sich nicht so schnell von der Krise erholen wie andere Dienstleister. „Bei den Friseuren war das Business von heute auf morgen wieder da“, sagt er, „bei uns läuft noch nichts, weil die Verunsicherung noch da ist“. Ihm fehlen ein klarer Fahrplan der Regierung und einheitliche Regeln für Urlauber zumindest in einem überschaubaren Gebiet wie Europa oder dem Schengen-Raum. „Wir würden unseren Kunden gerne alle Fragen zu Corona-Tests in verschiedenen Ländern und einer etwaigen Quarantäne beantworten, aber wir sind darauf angewiesen, diese Infos erst einmal selbst zu bekommen“, sagt Meyer.

Auch Thomas Straube sieht ein großes Problem in der Unsicherheit der Menschen. „Urlauber wissen nicht genau, was sie erwartet ,und die meisten haben keine Lust, mit Maske in den Urlaub zu gehen“, sagt er. Für die Pfingstferien habe er nun wieder erste Buchungen gemacht, allerdings überwiegend Autoreisen innerhalb Deutschlands. Mecklenburg-Vorpommern und Bayern seien zurzeit beliebte Reiseziele. „Es gab auch einen kleinen Reiseboom nach Sylt, als dort die Hotels wieder aufgemacht haben“, sagt Straube. Mit kostendeckenden Einnahmen rechnet er allerdings noch lange nicht: „Das wird dieses Jahr bestimmt nichts mehr.“ Er ist jedoch zuversichtlich, dass sein Reisebüro die Krise überstehen wird. „Ich habe eine Verantwortung für meine Mitarbeiter“, sagt er, „es muss hier weitergehen“.