Vor einem Jahr protestierten Fridays-for-Future-Aktivisten in Stuttgart zum ersten Mal für die Einhaltung der Klimaziele. Wie hat sich der Einfluss auf die Öffentlichkeit seitdem entwickelt?

Stuttgart - Jonathan Heckert ist erst 17 Jahre jung, der Gymnasiast vertritt seinen Standpunkt angesichts des möglichen Klimakollapses, der der Erde in nicht allzu ferner Zukunft bevorstehen könnte, jedoch in aller Deutlichkeit und mit tiefer Überzeugung. „Jeder Mensch muss bereit sein, das eigene Leben umzustellen, sonst verlieren wir den Kampf gegen die Klimakrise“, sagt das Mitglied des Fridays-for-Future-Organisationsteams in Stuttgart am Dienstagabend im Rahmen der Veranstaltung „Mittendrin“ unserer Zeitung. Unter dem Motto „Ein Jahr Fridays for Future – was hat sich geändert?“ stellen sich Vertreter aus Politik, Wissenschaft und mittelständischem Gewerbe den Fragen von Siri Warrlich, Politik-Redakteurin der Stuttgarter Nachrichten.

Lesen Sie hier: Forderungen von Fridays for Future – Zehn Hausaufgaben für das Land

Sybille Braungardt, Forscherin am Öko-Institut Freiburg mit den Schwerpunkten Energie und Klimaschutz, teilt die Meinung des jungen Klimaaktivisten. „Die individuellen Konsumentscheidungen der Verbraucher sind wichtig. Wir müssen die Nachfrage nach klimaschädlichen Gütern und die Nutzung umweltbelastender Technologie zwingend reduzieren“, so die Wissenschaftlerin. Nur wenn das geschehe, könne das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 eingehalten werden, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Sollte dies nicht gelingen, könnten die globalen Folgen laut Braungardt dramatische Ausmaße annehmen: Überschwemmungen, Dürren und andere Naturkatastrophen würden das Leben auf unserem Planeten drastisch beeinflussen.

Lesen Sie hier: Fridays for Future in Stuttgart – Weniger Schüler kommen zum Klimastreik

Diese Botschaft trifft in der öffentlichen Wahrnehmung anscheinend noch nicht auf genügend Akzeptanz. Der Winnender Metzger Peter Häfele führt seine Metzgerei bereits in der dritten Generation. Er startete eine Rabattaktion und bot seiner Kundschaft zehn Prozent Preisnachlass auf seine Waren, wenn diese mit einem eigenen Mehrwegbehältnis, beispielsweise einer Dose, unverpackte Lebensmittel bei ihm kaufen würden. „Nicht einmal zwei Prozent meiner Kunden nahmen dieses Angebot an“, analysiert Häfele rückblickend. Grund dafür könnte sein, dass die Bereitschaft, gewohntes Verhalten zu ändern, noch nicht ausreichend vorhanden sei, anders erklären könne sich der Metzger das fehlende Kundeninteresse nicht. Ähnlich nimmt es auch Jonathan Heckert wahr. „Die Dringlichkeit der nötigen Veränderung ist bei vielen einfach noch nicht angekommen“, so der 17-Jährige.

Michael Theurer, Landeschef der FDP in Baden-Württemberg, sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Seiner Meinung nach würden die verabschiedeten Klimaziele in einigen Bereichen einfach nicht eingehalten. „Als unterstützendes Instrument wäre ein zertifizierter Emissionshandel denkbar“, sagt der Politiker am Veranstaltungsabend.

Gegen Ende der Veranstaltung in der White Noise Bar unweit des Rathauses entwickelt sich unter den rund 70 Gästen, darunter viele junge Leute, eine lebendige Diskussion. Die Teilnehmer sind bereit, etwas zu ändern, wissen aber nicht, welche Maßnahmen am sinnvollsten wären. Die Aufklärung der breiten Masse durch die Fridays-for-Future-Aktivisten ist augenscheinlich noch nicht weit genug durchgedrungen.