Bei einem kühlen Bier pflegt sich die Nachbarschaft am Besten. Foto: Martin Stollberg

In der Wächterstraße haben die Nachbarn und die Burschenschaftler der Alania einen Weg für ein gutes Miteinander gefunden: Sie feiern jedes Jahr einmal gemeinsam.

Stuttgart-Mitte - Früher hat Bäckermeister Rudolf Frank schon einmal einen Eimer Wasser über den Köpfen der Burschenschaftler aus dem Nachbarhaus ausgekippt. Dann nämlich, wenn er um zwei Uhr in die Backstube musste, die Mitglieder der Studentenverbindung Alania aber noch in den späten Nachtstunden unter seinem Fenster gelärmt haben. Am frühen Morgen, beim Brezel holen, war das aber längst wieder vergessen. Doch die Feierfreude der Burschenschaftler hatte in den 1970er und 1980er Jahren ein ums andere Mal die Polizei auf den Plan gerufen.

Seit 22 Jahren ist das anders. 1991 beschlossen Nachbarn und Burschenschaftler erstmals, gemeinsam zu feiern, und seitdem ist auf der Wächterstraße daraus eine Tradition geworden. Jedes Jahr am Mittwochabend vor Fronleichnam werden für die Alanen-Hocketse am unteren Ende der Wächterstaffel Bierbänke aufgebaut. Zudem laden die Burschenschaftler die Anwohner ins Alanenhaus ein. Das Freibier stiftet größtenteils die Alania. Die Brötchen und Brezeln kommen von der Bäckerei Frank nebenan.

Stefan Lueginger, der Senior der Altherrenschaft der Alania, weiß, dass es die Nachbarn nicht immer leicht mit der Burschenschaft haben. „Aber seit man sich näher kennt, kommt bei Festen auch nicht immer alle halbe Stunde die Streife.“ Da habe die Straßenhocketse einen weit größeren Beitrag zum Frieden im Viertel geleistet, als der Einbau der Schallschutzfenster im Alanenhaus.

Je später der Abend wird, desto musikalischer geht es zu

Wer beim gemeinsamen Bier oder Viertele ins Gespräch kommt, der erfährt auch schnell mehr über die farbentragende, nicht schlagende, katholische Studentenverbindung, die es seit 1870 gibt. Eine der Geschichten, die besonders gerne erzählt wird: In den 1960ern haben sich die Studenten auf Stühlen ein Wettrennen geliefert und zwar die Wächterstaffel hinunter.

Doch nicht nur beisammen zu hocken, hat in der Wächterstraße Tradition. Je später der Abend wird, desto musikalischer geht es im Stitzenburgviertel zu. Stefan Lueginger setzt sich ans Klavier, und auch Werner Frick, der Ehrenrittmeister der Stadtgarde Stuttgart, lässt es sich nicht nehmen, mit seinen Trompeterkollegen aufzuspielen. Doch nicht nur Nachbarn und Freunde hatten sich zur Alanen-Hocketse angekündigt. Oberbürgermeisterkandidat Sebastian Turner hatte von Rudolf Frank eine Lehrstunde im Brezelbacken versprochen bekommen, nachdem dieser die technisch nicht ganz einwandfreie Brezel auf dessen Werbepostkarte entdeckt hatte.