Justizminister Stickelberger. Foto: dpa

Justizminister Stickelberger warnt Kommunen: Neues Betreuungsgeld kein Ersatz für Schaffung von Plätzen.

Von August 2013 an haben Kinder ab einem Jahr Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) befürchtet viele Klagen, wenn Kommunen nicht genügend Plätze bereitstellen.

Herr Stickelberger, viele Kommunen fordern, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr zu verschieben. Können Sie das nachvollziehen?
Ich weiß, dass viele Kommunen in einer schwierigen finanziellen Situation sind, aber es gab eine lange Vorlaufzeit. 2007 wurde das Gesetz beschlossen. Zudem unterstützt die Landesregierung den Ausbau finanziell sehr stark. Wir stellen dieses Jahr 444 Millionen Euro und im nächsten Jahr 477 Millionen Euro bereit. Ab 2014 übernehmen wir 68 Prozent der Betriebsausgaben. 100 Millionen steuert der Bund bei. So viel hat keine Vorgängerregierung je bezahlt. Mit diesem Schub können die Gemeinden einiges tun.

Was passiert, wenn die Kommunen dennoch nicht genügend Plätze haben?
Jedes Kind hat einen Rechtsanspruch. Da gibt es keine Ausnahmen, Rechtfertigungen, Entschuldigungsgründe, dass etwa das Geld oder der Platz fehlt. Wenn der Rechtsanspruch nicht erfüllt wird, können Eltern diesen einklagen. Die Kommunen müssen dann mit Sanktionen rechnen.

An wen müssten sich die Eltern wenden?
Zunächst müssten sie den Platz beim Verwaltungsgericht einklagen. Wenn die Kommune keinen Platz bereitstellt und die Eltern einen teureren privaten Platz in Anspruch nehmen oder ein Elternteil wegen fehlender Betreuung zu Hause bleibt, haben sie eventuell auch Anspruch auf Schadenersatz. Denn der Rechtsanspruch hat das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Um diese Frage müssten sich dann die Landgerichte kümmern. Das würde zu einem riesigen Aufwand führen. Denn in jedem Verfahren wäre eine Einzelfallprüfung nötig. Möglicherweise müssten sie auch über den Umfang der Betreuung und zumutbare Entfernungen entscheiden.

Hat die Bundesregierung nicht sorgfältig genug gearbeitet?
Das Gesetz ist nicht sehr ausgefeilt. Es lässt viele Fragen offen – wie lange die Betreuungszeit mindestens sein muss, welche Entfernung zumutbar ist, welche Standards die Einrichtung erfüllen muss. Die Eltern werden optimale Bedingungen fordern, und die Gerichte müssen dann entscheiden, welche Forderungen begründet sind. Ich habe den Eindruck, das ist vielen Kommunen noch nicht bewusst.

Bei der Verabschiedung des Gesetzes wurde als Ziel ausgegeben, dass bis 2013 für 35 Prozent der Kleinkinder Betreuungsplätze geschaffen werden sollten. Sind Kommunen, die diese Vorgabe erfüllen, aus dem Schneider?
Nein, die Kommunen können sich nicht darauf berufen, dass sie für 35 Prozent der Kinder Plätze geschaffen haben. Die Bundesregierung ging damals davon aus, dass insgesamt etwa so viele Plätze benötigt werden – da wird es aber wohl Unterschiede zwischen den Städten und dem ländlichen Raum geben. Wenn mehr Plätze gefordert werden, müssen die Kommunen diese auch bereitstellen. Deshalb schlagen Eltern in den größeren Städten bereits Alarm.