Stealthing bedeutet, dass Männer heimlich das Kondom abziehen und damit eine Straftat begehen. (Symbolbild) Foto: dpa/Friso Gentsch

Ein Polizist hat mit einer Kollegin einvernehmlichen Sex. Dass er das Kondom abzieht, bemerkt sie nicht. Jetzt bestätigt das Berliner Kammergericht: Der Beamte bekommt eine Bewährungsstrafe und muss Schmerzensgeld zahlen.

Berlin - Wer beim Sex heimlich das Kondom abstreift, kann strafrechtlich einen sexuellen Übergriff begehen. Das Berliner Kammergericht urteilte nach Angaben vom Donnerstag, dass das sogenannte Stealthing den Tatbestand erfüllt, wenn der Täter in den Körper des Opfers ejakuliert. Nach Gerichtsangaben war dies das erste obergerichtliche Urteil zum Stealthing. Damit sei jedoch noch keine Entscheidung darüber gefallen, wie eine solche Tat ohne Ejakulation zu beurteilen wäre.

Bei dem Verfahren ging es um einen inzwischen 38-jährigen Bundespolizisten, den das Amtsgericht Tiergarten Ende 2018 wegen sexuellen Übergriffs zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt hatte. Dabei ging es um einen Vorfall im Jahr 2017, bei dem der Mann mit einer damals 20-jährigen Polizeimeisteranwärterin zunächst einvernehmlich intim geworden war.

Vor dem Geschlechtsverkehr machte die Frau demnach unmissverständlich klar, dass sie auf keinen Fall ohne Kondom mit ihm schlafen wolle. Daraufhin habe der Mann ein Kondom übergezogen. Beim Sex habe er es jedoch heimlich abgestreift und in die junge Frau ejakuliert.

Sexuelle Selbstbestimmung

Das Kammergericht begründete sein Urteil gegen den Mann nun damit, dass sexuelle Selbstbestimmung bedeute, „über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden“.

Das Gericht wies darauf hin, dass der Schutz durch ein Kondom nicht nur zur Verhinderung einer Schwangerschaft und der Krankheitsübertragung von Bedeutung sei. Demnach geht es beim Stealthing auch darum, dass der penetrierende Sexpartner das Opfer „bewusst zu einem bloßen Objekt fremdbestimmten sexuellen Tuns“ herabsetzt und „für dessen persönliche sexuelle Befriedigung“ benutzt.

Ein besonders schwerer Fall und damit eine Vergewaltigung lag laut Gericht jedoch nicht vor, weil eine Änderung des Schuldspruchs in dem Fall rechtlich nicht möglich war. Im Einzelfall könne das sogenannte Stealthing künftig durchaus auch als Vergewaltigung gewertet werden.