Freiberger Jubelszenen: Kapitän Marco Grüttner (re.) freut sich mit seinen Teamkollegen Jonathan Zinram, Yannick Thermann und David Müller (v. li.). Foto: Baumann

Das jüngste 7:0 in Göppingen kommt einer Machtdemonstration gleich. Der SGV Freiberg entwickelt sich mit seiner enorm verstärkten Mannschaft zum Oberliga-Topfavoriten. Was steckt hinter dieser Erfolgsgeschichte?

Stuttgart - Die Zuschauer im Göppinger Stadion an der Hohenstaufenstraße rieben sich verwundert die Augen. Sie hatten sich durchaus auf einen starken SGV Freiberg eingestellt, doch dass der Tabellenführer der Fußball-Oberliga einen derart glänzenden, technisch, taktisch und läuferisch herausragenden Fußball zelebrierte und mit 7:0 triumphierte, das war dann doch überraschend. Natürlich war es nur ein Spiel, und natürlich hatte der gastgebende GSV einen rabenschwarzen Tag erwischt, doch das änderte wenig daran: Dieser Kantersieg bedeutete mehr als ein Ausrufezeichen, er war eine Machtdemonstration. Zumal beim SGV Topspieler wie Dominik Salz (Hochzeit am Vortag), die verletzten Christian Mauersberger, Michael Klauß, Julian Grupp, Hakan Kutlu sowie der neu verpflichtete Mario Ebenhofer nicht einmal zum Einsatz kamen.

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„Uns ist an diesem Tag wirklich alles gelungen, wir haben einen Lauf und wollen auf dieser Erfolgswelle weitersurfen“, sagt Marco Grüttner. Der ehemalige Zweitligaprofi von Jahn Regensburg ist die Schlüsselfigur dieser Überflieger vom Neckar. Der 34-Jährige ist Kopf, Kapitän, Torjäger – und vor allem eines: Vorbild. Im Sommer wunderte sich selbst einer seiner Mitspieler bei einem Testspiel bei einem unterklassigen Gegner bei brütender Hitze und haushoher Führung über Grüttner: Kurz vor Schluss kämpfte, grätschte und arbeitete der noch in der 85. Minute höchstdiszipliniert – auch nach hinten. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich, völlig egal in welcher Liga ich unterwegs bin, immer alles gebe“, sagt der Stürmer. Jetzt eben in der Oberliga, beim SGV, für den er schon in der Jugend stürmte.

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Er wollte wieder zurück in die Heimat, zur Familie, ins Haus nach Weiler bei Affalterbach. Da kam das Freiberger Angebot für eine Doppelrolle wie gerufen. Als Sportlicher Leiter ist er auch die rechte Hand von Christian Werner (39), dem ersten Sportdirektor in der Geschichte des SGV. Er war in Freiberg schon Co- und Torwarttrainer, zuletzt Sportdirektor beim österreichischen Zweitligisten Austria Lustenau. „Wir haben eine Analyse über die vergangenen zehn Jahre beim SGV gemacht, und ich bin zu der Erkenntnis gekommen: Wir brauchen solch einen Mann“, sagt Emir Cerkez. Der Präsident mit den bosnischen Wurzeln kommt ins Spiel, wenn es um die Frage geht: Wer finanziert diesen hochkarätigen Kader, der ein Saisonbudget von über einer Million Euro verschlingt? Die Antwort lautet: Vor allem der Unternehmer selbst. Cerkez, Chef einer Firma für Flachdachsanierung und -abdichtung, will das gar nicht groß dementieren: „Vereine sind immer auch von einzelnen Personen abhängig. Doch wir haben ein großes Netz von Sponsoren und entscheidend ist, dass wir keine Schulden haben und finanziell sehr gesund dastehen.“

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Sein Traum ist die Regionalliga. Offiziell sagt er: „Wir wollen oben mitspielen, der Aufstieg ist keine Pflicht. Wir sind nicht die Stuttgarter Kickers.“ Andere halten das für Tiefstapelei. „Die Mannschaft ist sogar drittligareif“, behauptet Ex-Trainer Milorad Pilipovic (62). Der Ex-KSC-Profi wurde während der Vorbereitung durch Evangelos Sbonias (37) ersetzt. Für den 1. Oktober ist vor dem Amtsgericht Ludwigsburg ein Gütetermin angesetzt – wegen Pilipovics noch bis mindestens 2021 gültigen Vertrags. „Ich hoffe, wir finden noch vorher eine Lösung“, sagt Präsident Cerkez. Es ist das Einzige, was ihm derzeit etwas Kummer bereitet.