Drei Tage lang lebten junge Amerikaner beim Woodstock-Festival im August 1969 eine Utopie. Foto: NDR/Courtesy of Museum at Bethel

Mit teils noch nie gesehenen Bildern erinnert im Ersten der Dokumentarfilm „Woodstock: Drei Tage, die eine Generation prägten“an das Musikfestival vor fünfzig Jahren: spannend, rührend und witzig.

Woodstock - Über dem Festivalgelände zieht ein Sturm auf, durchnässte Menschen versuchen, die Verstärker auf der Bühne mit Plastikfolien zu schützen, und eine Lautsprecherdurchsage ermutigt die 400 000 Konzertbesucher: „Haltet einander fest! Und lasst uns den Regen vertreiben!“ Zu diesen Originalaufnahmen vom Woodstock-Festival im August 1969 erinnert sich auf der Tonspur des Films einer der Organisatoren von damals: „Alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Plötzlich war die Hölle los!“

Das ist die eine Sicht auf Woodstock: Ein von Anfängern dilettantisch organisiertes Schlammbad, das drei Tage lang am Rand der Großkatastrophe entlangeierte und das der damalige Gouverneur des Bundesstaats New York, Nelson Rockefeller, unter den Republikanern jener Tage noch einer der moderaten, für unverantwortlich hielt. Seine Berater mussten Rockefeller davon abbringen, das Festival durch massiven Einsatz der Nationalgarde abzubrechen.

Chaos und Triumph

Die andere Sicht auf Woodstock ist Popkulturmythologie: der Höhepunkt der Hippiebewegung, das Lebenswege verändernde Fest von Musik, Liebe, Lässigkeit, ein Schnittpunkt von Utopie und Realität. Der Dokumentarfilm „Woodstock: Drei Tage, die eine Generation prägten“ von Barak Goodman zeigt spannend, witzig, rührend beides, das Chaos wie den Triumph.

In keinem Moment will er dabei Michael Wadleighs klassischem, knapp dreistündigem Dokumentarfilm „Woodstock“ aus dem Jahr 1970 Konkurrenz machen, der sich vor allem auf die Musik selbst konzentrierte, auf Richie Havens, Joe Cocker, The Who, Joan Baez, Jimi Hendrix, Santana und andere, und schon gar nicht jenem Dreieralbum vom Festival, das einst so selbstverständlich in jedem Jugendzimmer stand wie eine Bibel in der Puritanerhütte.

Nachbarschaftshilfe

Goodman zeigt mit teils noch nie zuvor verwendetem Originalmaterial das Drumherum, die von Improvisation zu Notlösung hastende Organisation, das Treiben der Besucher und – ein selten betonter, aber umso wichtigerer und schönerer Aspekt – die Hilfe der ländlichen Nachbarn für die in Not geratenen Hippies, die weder genug Trinkwasser noch richtig zu essen noch ausreichende medizinische Versorgung hatten.

Gerade in diesen Momenten der Selbstorganisation – in Freak-out-Zelten etwa wurden die Drogenkollernden betreut – und des Händereichens über Kulturgrenzen wird die eigentliche Kraft von Woodstock deutlich. Die junge Gegengesellschaft tankte hier die Erkenntnis, nicht aus einzelnen Spinnern in einer feindseligen Mehrheitsgesellschaft zu bestehen, sondern eine große Bewegung zu sein – noch dazu eine, die mit dem Rest der Welt ins freundliche Gespräch kommen konnte.

Ausstrahlung: ARD, Mittwoch, 31. Juli 2019, 22.45 Uhr