Bei dem Virtual-Reality-Spiel „Star Trek: Bridge Crew“ können die Spieler die U.S.S Aegis steuern. Foto: Ubisoft

Das Spiel „Star Trek: Bridge Crew“ bietet bisher nicht gekannte Möglichkeiten, auf Mitspieler einzugehen und mit ihnen zu kommunizieren. Mit den künstlichen Figuren kann man sprechen.

Stuttgart - Steuermann, 90 Grad nach Steuerbord ausweichen und eine Kollision mit den Asteroiden vermeiden. Das Schiff ist neu. Warp-Korridor anvisieren.“ Die Aufforderung ist unmissverständlich. Als Steuermann bedient der Spieler auf der virtuellen Brücke des Raumschiffs U.S.S. Aegis die Bedienkonsole, weicht mittels Steuerknopf den Felsbrocken aus, die durchs Weltall trudeln, gibt Schub. Nachdem der anvisierte Warp-Zielkorridor erreicht ist, ruft Spieler zwei, der Kapitän, „Energie!“, und Spieler eins schiebt den Schubregler nach vorn. Zusammen springen sie in das nächste Sternensystem.

Bei dem Computerspiel „Star Trek: Bridge Crew“ steuern vier Spieler gemeinsam ein Raumschiff. Als Offiziere der Sternenflotte können sie Missionen abschließen, die über das Schicksal des Schiffs und seiner Crew entscheiden. Als Teil der Crew versetzt das Spiel die Teilnehmer dafür direkt auf die Brücke des Sternenschiffs. Über die Navigationskonsole steuert ein Spieler das Raumschiff und legt etwa das Ziel für Warp-Sprünge fest. Die Waffenkonsole erlaubt einem anderen Spieler die Steuerung der Schilde, Waffensysteme, Scanner und des Transporter. Über die Energieverteilungskonsole wird festgelegt, welche Systeme mehr Energie erhalten sollen als andere.

Gemeinsamer Auftrag der Crew ist es, unbekannte Gebiete des Weltraums zu erforschen. Das Spiel knüpft an den Kino-Neuauflage von „Star Trek“ aus dem Jahr 2009 an: Die U.S.S. Aegis bereist den sogenannten „Graben“, einen unerforschten Bereich des Weltraums, auf der Suche nach einem neuen Planeten für die heimatlosen Vulkanier, deren Planet im Kinofilm zerstört worden war. Problematisch ist das, weil die Suche in einem Bereich stattfindet, der von den Klingonen, den Feinden der Förderation, beherrscht wird – so sind Kämpfe unausweichlich und alle Stationen beziehungsweise Spieler an Bord müssen zusammenarbeiten.

Spricht der Spieler, bewegt der Avatar seine Lippen

Das Besondere an „Star Trek: Bridge Crew“ ist, dass es exklusiv für die virtuelle Realität (VR) entworfen wurde. Das Spiel selbst profitiert dabei vor allem von einem starken Gefühl der sozialen Interaktion. Die Mitspieler sind durch Ganzkörper-Avatare anwesend, und es gibt eine Echtzeit-Lippensynchronisation: Spricht der Spieler in sein Mikrofon, das in das VR-Headset eingebaut ist, bewegt der Avatar seine Lippen ebenfalls. Tippt ein Spieler etwas auf seiner Konsole, können dies die anderen sehen.

All dies ist noch relativ neu in der virtuellen Welt, für die es nach und nach immer mehr Spiele auf dem Markt gibt. Waren es zu Beginn noch relativ kurze Spielvergnügen, bringen große Studios wie Ubisoft mittlerweile Vollpreistitel auf den Markt – ausgereifte Produkte, die die ganzen Möglichkeiten der virtuellen Realität auszunutzen versuchen und den nächsten Schritt in der VR-Entwicklung einläuten. Denn im Grunde ist VR dazu gemacht, sich mit anderen an einem fremden Ort zu treffen, fast losgelöst von der Realität.

Dass der Markt und das Angebot für VR wachsen, ist wenig überraschend: Das Zusammenspiel in der virtuellen Realität ermöglicht eine viel intimere Multiplayer-Erfahrung, als sie ein konventionelles Videospiel erlauben würde. So lässt sich bei „Star Trek: Bridge Crew“ etwa erkennen, wie Crewmitglieder reagieren, wenn ihnen nach feindlichem Beschuss Rauchschwaden ins Gesicht wehen, und die Mitspieler können bis zu einem gewissen Grad sogar ihre Körpersprache lesen. Das Winken mit den Armen als Hilferuf ist durchaus als solches zu verstehen.

Die Grenze zwischen real und virtuell verwischt

Dies hat durchaus soziale Implikationen, die über das Spiel hinausgehen. Denn anders als in sozialen Netzwerken, in denen viele anonym von sich geben, was ihnen durch den Kopf geht, existiert bei „Star Trek: Bridge Crew“ ein virtuelles – und gleichzeitig doch reales – Gegenüber. Obwohl man seinen Mitspielern noch nie in der Realität begegnet ist, scheint allein die körperliche Gegenwart eines Avatars und das Hören seiner Stimme zu einem anderen Verhalten zu führen.

„Naturgemäß ist ein Erlebnis intensiver, wenn wir am Ort des Geschehens sind. Und die VR bietet Möglichkeiten, die deutlich weiter gehenals traditionelle Display-Technologien“, sagt Björn Bartholdy vom Cologne Game Lab. „Die Verbindung von räumlicher VR und virtuellem Körper ist eines der wichtigsten Themen in diesem Zusammenhang.“ Interessant findet Bartholdy zum Beispiel: Die Kapitänsrolle will in dem Spiel kaum jemand übernehmen – Strukturen, wie sie jedes Zusammenleben von Menschen ausbildet, finden sich plötzlich auch virtuell wieder. „Denn natürlich bringen wir gelernte Verhaltensmuster mit in Spiele hinein“, erzählt Bartholdy.

So sagt denn auch David Votypka, Creative Director bei Ubisoft: „Die soziale Komponente ist sicherlich der interessanteste Aspekt des Spiels. Das Ziel, Missionen gemeinsam – als Crew – zu bestehen, bringt die Mitspieler dazu, sich viel mehr zu engagieren.“ Das Gefühl, tatsächlich im gleichen Raum zu sein wie die Mitspieler sei eben nur in VR möglich.

Dabei müssen es mittlerweile nicht einmal mehr echte Mitspieler sein, mit denen man spricht: Seit wenigen Tagen erlaubt es die nunmehr integrierte Sprachtechnologie IBM Watson den Spielern sogar, Sprachbefehle an eine künstliche Besatzung zu geben, mit der automatisch freie Positionen besetzt werden, falls einmal nicht genügend menschliche Spieler mitmachen wollen. Der künstliche Avatar reagiert dann auf die mündlich gesprochenen Befehle eines Menschen – die Grenze zwischen real und virtuell verwischt.

Die Spielbranche ändert sich rasant

Hardware Auf drei handelsüblichen VR-Systemen kann „Star Trek: Bridge Crew“ gespielt werden: auf der Playstation VR, dem HTC Vive und der Oculus Rift. Alle drei Systeme besitzen neben der Brille, mit der man in die virtuelle Welt eintaucht, Handkontroller, mit denen man in der künstlichen Umgebung interagieren kann. Bewegt man in der Realität die Kontroller durch die Luft, so sieht es in der virtuellen Umgebung so aus, als würde man auf dem Raumschiff mit den Händen die verschiedenen Instrumente der Konsole kontrollieren.

Teambuilding Social VR ist nicht nur ein kraftvolles Werkzeug für die Spielentwicklung, sondern auch außerhalb der Spielbranche. Während der Entwicklung von „Star Trek: Bridge Crew“ hat der Hersteller Ubisoft etwa täglich eine Spielsession mit Angestellten von IBM abgehalten. Der Hardwarekonzern wollte mit der Software das Eis zwischen den Mitarbeitern brechen.