Eines der letzten seiner Art? Das Mialneo als Baustelle im Sommer 2014. Seitdem ist der Bau neuer Einkaufszentren drastisch zurückgegangen. Foto: Achim Zweygarth

Noch vor wenigen Jahren sind neue Shoppingmalls wie Pilze aus dem Boden geschossen – gerade in Stuttgart. Heute hingegen investiert kaum noch jemand in die riesigen Konsumtempel. Das Geld der Großanleger fließt inzwischen in Lagerhallen für den Onlinehandel.

Stuttgart - Die Zeit neuer Einkaufszentren ist vorbei. So scheint es zumindest Branchenprimus ECE zu sehen. „Die Zahl an Neuentwicklungen in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, sodass heute nur noch wenige Center neu gebaut werden“, erklärt Lukas Nemela, Pressesprecher des Unternehmens, welches unter anderem das Milaneo sowie die beiden Breuningerländer betreibt. Ein Blick auf die Zahlen der ECE verdeutlicht diese Entwicklung: Hatte der Konzern der Otto-Familie vor zehn Jahren noch satte neun neue Einkaufszentren in der Mache, so sind es aktuell lediglich zwei in ganz Deutschland. Die Märkte seien „gesättigt“, erklärt der Sprecher. Zudem gebe es kaum noch geeignete Flächen für derart große Bauprojekte.

Ein Blick auf die Aktivitäten nationaler und internationaler Großanleger legt jedoch einen vollkommen anderen Hintergrund nahe. Analysiert man die Geldströme, welche von Investoren in Immobilien gelenkt werden, zeigen sich überraschende Trends. Im Jahr 2011 wurden bundesweit noch knapp 43 Prozent dieses Geldes in Einzelhandelsimmobilien – und damit maßgeblich in den Bau neuer Shoppingcenter – gesteckt. Doch nach aktuellen Marktanalysen lag dieser Anteil im ersten Halbjahr 2018 noch bei lediglich 13,9 Prozent. Interessanter Weise fällt der Bau der beiden großen Stuttgarter Einkaufszentren ausgerechnet in die Zeit der 43 Prozent. Die Arbeiten am Milaneo nördlich des Hauptbahnhofs wurden im Sommer 2012 begonnen, der Bebauungsplan stammt aus dem Jahr 2010. Das Investitionsvolumen betrug nach Angaben der ECE mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das Geld stammte zu großen Teilen vom Finanzinvestor Hamburg Trust sowie von Privatanlegern, die in einen Fonds eingezahlt hatten. Der Bau des Gerber an der Paulinenbrücke wurde im Februar 2011 begonnen. Das mehr als 250 Millionen Euro teure Projekt wurde von der Württembergischen Lebensversicherungs AG finanziert.

Das Geld fließt in Logistikflächen für den Onlinehandel

Doch wohin fließt das Geld der Großanleger wenn nicht mehr in den Bau neuer Einkaufszentren? Die Antwort: in Logistikimmobilien. Lag der Anteil dieser Gebäudeklasse 2011 noch bei rund fünf Prozent, waren es 2017 schon mehr als 15 Prozent – Tendenz weiter deutlich steigend. „Professionellen Investoren wie etwa Versicherungen haben große Teams, die ihre Anlagestrategie sehr sensibel an große wirtschaftliche Entwicklungen anpassen“, erklärt Tobias Brehm, der beim weltweiten Immobilienberater Colliers International im Logistikbereich am Standort Stuttgart tätig ist. Treiber dieser Entwicklung ist das rasante Wachstum des Internethandels. Mehr Umsatz von Amazon, Zalando und Co. bedeutet deutlich mehr Lieferfahrten und ebenfalls deutlich mehr Retoursendungen. Damit wächst der Bedarf an Umschlagplätzen für die verschickte Ware und Investitionen in Logistikstandorte erscheinen Investoren als lohende Geldanlage. Brehm sagt: „Der Bedarf an Verteil- und Versandtzentren in direkter Nähe der Ballungsräume ist daher extrem hoch.“ Und: „Es könnte deutlich mehr im Bereich Logistik entstehen, doch speziell in der Region Stuttgart fehlen die Flächen.“

Doch aus Sicht der städtischen Wirtschaftsförderung wird sich an dieser Notlage so schnell nichts ändern. „Flächen für neue Logistikzentren hätte ich zwar gerne, ich habe aber keine.“ Diese ernüchternde Einschätzung stammt vom stellvertretenden Leiter der Stuttgarter Wirtschaftsförderung Martin Armbruster. Er ist im Übrigen zugleich Wirtschaftsverkehrsbeauftragter der Landeshauptstadt. Weiter sagt Armbruster: „Das Problem wird wachsen, inklusive der negativen Auswirkungen auf den Verkehr.“ Der Grund ist aus Sicht des Verkehrs- und Wirtschaftsexperten einfach beschrieben: „Ich hatte als Standort für Logistik beispielsweise Flächen entlang der heutigen B 10 im Osten der Stadt im Blick. Doch der Gemeinderat will dort jetzt lieber Wohnungsbau haben“, so Armbruster. Standorte für die Logistik würden im Konflikt verschiedener Nutzungsarten immer wieder nach hinten rutschen, sagt er. „Das macht unseren Wirtschaftsstandort auf Dauer leider kaputt.“ Der Grund: „Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen dorthin abwandern, wo die Lieferkette durch die Nähe zu Logistikflächen störungsfrei garantiert ist.“

Angesprochen auf das Ende des Booms der Einkaufszentren gibt sich Deutschlands größter Betreiber, die ECE, betont optimistisch. Man beschäftige sich inzwischen vor allem mit Modernisierungen und Großumbauten von Centern, erklärt Pressesprecher Nemela. Umwandlungen oder gar der Abriß von Objekten seien kein Thema. Aber: an vielen Orten stünde „die Ansiedlung von zusätzlicher Gastronomie“ im Mittelpunkt.