Vor dem Stuttgarter Landgericht steht heute ein ehemaliger Mitarbeiter der Backnanger Stadtwerke. Foto: Weingand / STZN

Statt auf Konten von Kunden soll ein Mitarbeiter der Backnanger Stadtwerke rund 725 000 Euro auf seine eigenen überwiesen haben. Nach zwei Jahre flog der Mann im Herbst 2018 auf. Seit diesem Freitag steht er vor Gericht.

Backnang - Die 18. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt von diesem Freitag an gegen einen 48-jährigen ehemaligen Mitarbeiter der Stadtwerke Backnang. Dem Mann wird vorgeworfen, rund 725 000 Euro seines Arbeitgebers auf seine eigenen Konten abgezweigt zu haben. Die Taten sollen sich im Zeitraum zwischen dem August 2015 und dem Oktober 2018 abgespielt haben. Der Mann wurde festgenommen und sitzt seit Oktober 2018 in Untersuchungshaft.

Aufgeflogen waren die Unregelmäßigkeiten durch die Hausbank der Stadtwerke, die den Chef der Stadtwerke benachrichtigt hatte. „Ich fühle mich wie nach einem Einbruch bei mir daheim“, sagte Markus Höfer damals gegenüber unserer Zeitung. Der Schock saß tief bei dem Versorgungsunternehmen, das der Stadt Backnang gehört, denn der Angeklagte galt als zuverlässiger Mitarbeiter, hieß es seitens der Stadtwerke.

Der Schaden entpuppte sich gravierender als gedacht

Über einen Zeitraum von rund zwei Jahren soll der Mann kleine oder mittlere Beträge statt auf Konten der Stadtwerke auf seine eigenen eingezahlt haben. Dabei habe es sich vor allem um Rückzahlungen an Kunden des Versorgungsunternehmens gehandelt, das Wasser, Strom und Erdgas im Angebot hat. Um den kompletten Schaden aufzuarbeiten, wurde ein externer Wirtschaftsprüfer beauftragt. Als Geschädigte gelten auch die Stadtwerke, da diese oder ihre Versicherung für Schäden geradestehen müssen, die von dem Verursacher nicht zurückbezahlt werden können.

Anfangs ging man in Backnang von einer halben Million Euro an Schadenssumme aus. Wie sich im Lauf der Ermittlungen zeigte, die bis in den Februar dauerten, sind diese jedoch weit höher ausgefallen. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage von einer Schadenssumme von rund 725 000 Euro aus. Der Angeklagte soll das Geld „für eigene Zwecke“ gebraucht haben. Weiteres wird wohl in dem Prozess zutage kommen, der an diesem Freitag beginnt. Für das Hauptverfahren sind drei Verhandlungstage vorgesehen. Fortsetzungen sind für den 12. und 15. April vorgesehen.

Der „treulose Umgang“ wird seit Jahrhunderten bestraft

Die Untreue, §266 Strafgesetzbuch, zählt neben dem Betrug zu den zentralen Vorwürfen in Wirtschaftsprozessen. Unter Juristen ist der Paragraf umstritten, da er weit auslegbar ist. So kann bereits eine Untreue vorliegen, wenn jemand eine ihm anvertraute Sache in Gefahr gebracht hat, ohne dass diese tatsächlich abhanden kommt. Im 16. Jahrhundert wurden in der „Peinlichen Gerichtsordnung“, der Carolina, Verstöße gegen besondere Pflichtverhältnisse als Untreue geahndet oder der „treulose Umgang“ mit fremder Habe. Die Vorschrift findet man zwischen Fischdiebstahl und dem „heyliger oder geweichter Ding“.